Über Judenfeindschaft und Verschwörungsdenken

Wer bringt uns das Böse?

Mythen über "die Juden" und den Teufel

Wir tauchen in dieser Episode ein in die Welt teuflischer Verschwörungen – und fragen: Was hat der Satan eigentlich mit antisemitischen Verschwörungserzählungen zu tun? Wir erkunden die Wurzeln religiöser Vorstellungen vom Teufel, die unsere Kultur bis heute prägen. Zeigen, wie christliche Deutungen von „Bösartigkeit“ und „Verderbtheit“ über Jahrhunderte die Judenfeindschaft befeuert haben. Und wir sprechen mit einer Theologin darüber, wie sich diese uralten Motive bis in heutige Verschwörungsmythen fortsetzen – von den unterstellten Hostienschändungen im Mittelalter bis zum angeblichen diabolischen Ritualmord in unserer Zeit.

Unser Gast

Dr. Sara Han…

…ist Judaistin und katholische Theologin. Sie forscht an der FU Berlin zu zeitgenössischem Antisemitismus, zu europäisch-jüdischer Geschichte sowie jüdisch-christlichem Dialog nach der Shoa. Von ihr herausgegeben ist unter anderem das 2. Jahrbuch des Zentrum Jüdische Studien Berlin-Brandenburg: “Aspekte des Religiösen." (2015)

Wie immer mit

 

Prof. Dr. Gideon Botsch…

… ist Politik- und Sozialwissenschaftler. An der Universität Potsdam doziert er in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Er publiziert und forscht seit Jahren zu den Themen Antisemitismus und Rechtsextremismus und ist Leiter der “Emil Julius Gumbel Forschungsstelle”. Von ihm erschienen ist unter anderem „Umvolkung und Volkstod - Zur Kontinuität einer extrem rechten Paranoia" (2019).

 

Dr. Pia Lamberty…

… ist Psychologin. Sie forscht seit Jahren zu der Frage, warum Menschen an Verschwörungserzählungen glauben und ist Mitbegründerin von CEMAS, dem “Center für Monitoring, Analyse und Strategie”. Gemeinsam mit Katharina Nocun veröffentlichte sie 2020 den Bestseller „Fake Facts – Wie Verschwörungstheorien unser Denken bestimmen“. Im Jahr 2023 erschien außerdem noch “Gefährlicher Glaube. Die radikale Gedankenwelt der Esoterik” (2022).

Weiterführende Informationen

Hier geht es zur Berliner Beratungsstelle für Betroffene von Verschwörungserzählungen →  LINK

Hier geht es zum Beratungskompass VerschwörungsdenkenLINK

 

 

 

Quelle 1 –  Zum Zusammenhang von Religiosität und Verschwörungsglauben

  • Michael Hlavka: Verschwörungsglaube und Religion. Analyse religionsähnlicher Motive und Funktionen von Verschwörungstheorien und religionsdidaktische Annäherung. Berlin, 2024.  

  • Alexander Jedinger, Pascal Siegers: Religion, spirituality, and susceptibility to conspiracy theories: examining the role of analytic thinking and post-critical beliefs. In: Politics and Religion (2024), 17, S.389–409. → LINK

 

  

Quelle 2 –  Heinrich Vogel, Johanna West: Kontinuität Ambivalenz Spaltung. Zur Genese von Verschwörungsmythen im islamistischen Extremismus. Violence Prevention Network Schriftenreihe Heft 5, 2021. → LINK

 

 

Quelle 3 –  Gert Pickel, Verena Schneider, Susanne Pickel, Cemal Öztürk, Oliver Decker: Religiosität, Religion und Verschwörungsmentalität in der Covid-19-Pandemie. In: Zeitschrift für Religion, Gesellschaft und Politik, 7, S.553–587 (2023). → LINK

 

 

Quelle 4 – Die Bibel in der Einheitsübersetzung, Johannes 8:44. 

 

 

Quelle 5 –  John Gager Jr.: The Origins of Anti‑Semitism: Attitudes toward Judaism in Pagan and Christian Antiquity. NYC, 1985. 

  

 

Quelle 6 –  Jan M. Kozlowski: God’s Name ὁ Ὤν (Exod 3:14) as a Source of Accusing Jews of Onolatry. In: Journal for the Study of Judaism in the Persian, Hellenistic, and Roman Period. Vol. 49, No. 3 (2018), S. 350-355. → LINK

 
 

Quelle 7 – Rainer Kampling: Substitutionslehre. In: Wolfganz Benz (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus. Band 3: Begriffe, Theorien, Ideologien. Berlin 2010. S.310-312. 

 

 

Quelle 8 – Walter Homolka, Juni Hoppe, Daniel Krochmalnik: Der Messias kommt nicht. Abschied vom jüdischen Erlöser. Freiburg i.Br., 2022. 

  

 

Quelle 9 – Matthias Blum: Hostienfrevel. In: Wolfganz Benz (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus. Band 3: Begriffe, Theorien, Ideologien. Berlin 2010. S.127-130. 

 

 

Quelle 10 – Robert Chazan: European Jewry and the First Crusade. Oakland,1987. → LINK

 

 

Quelle 11 – David W Kling: A History of Christian Conversion. New York / Oxford, 2020). Insbesondere: S. 151–173 → LINK

 

 

Quelle 12 – Lieve Teugels: Juden als Teufelskinder?. Universität Salzburg, 2024. → LINK

 

 

Quelle 13 – Christian Geulen: Rassismus. In: Wolfganz Benz (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus. Band 3: Begriffe, Theorien, Ideologien. Berlin 2010. S.278-282. 

 

 

Quelle 14 – Nikolas Jaspert: Die Reconquista. Christen und Muslime auf der Iberischen Halbinsel 711-1492. München 2019.  

  

 

Quelle 15 – Carsten L. Wilke: Conversos. In: Wolfganz Benz (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus. Band 3: Begriffe, Theorien, Ideologien. Berlin 2010. S.51-54. 

 

 

Quelle 16 – Doğan Davit Akman: A Scholarly Blind Spot: the term 'marrano'. In: Sephardic Horizons. → LINK

 

   

Quelle 17 – Henry Charles Lea: Geschichte der Inquisition im Mittelalter. Frankfurt am Main, 1999. 

 

 

Quelle 18 – Michael Studemund Halévy: Blutreinheitsgesetze. In: Wolfganz Benz (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus. Band 4: Ereignisse, Dekrete, Kontroversen. Berlin 2011. S.56-57. 

 

  

Quelle 19 – Elad Lapidot: Invisible Concealment of Invisibility Crypto-Judaism as a Theological Paradigm of Racial Anti-Semitism. In: Religions 2018, 9, 339. → LINK

 

 

Quelle 20 – Andrew Colin Gow: Apokalyptik. In: Wolfganz Benz (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus. Band 3: Begriffe, Theorien, Ideologien. Berlin 2010. S.25-28. 

 

 

Quelle 21 – Hans-Ulrich Probst: Antichrist als Zerstörer des christlichen Abendlandes: Antisemitische Motive der apokalyptischen Krisendeutung in der extremen Rechten, in: Zeitschrift für Religion, Gesellschaft und Politik 8, S.55–80 (2024). → LINK

 

 

Quelle 22 – Wolfgang Wippermann: Rassenwahn und Teufelsglaube. Berlin 2005. 

 

 

Quelle 23 – Shulamit Volkov: Antisemitismus als kultureller Code. München 2000. 

 

 

Quelle 24 –  Statistik zur Kirchenmitgliedschaft → LINK

 

 

Quelle 25 – Rainer Erb: Ritualmordbeschuldigung. In: Wolfganz Benz (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus. Band 3: Begriffe, Theorien, Ideologien. Berlin 2010. S.3293-294. 

 

 

Quelle 26 – Matthias Pöhlmann: QAnon als antisemitischer Weltanschauungsextremismus Tiefer Staat, Satanisten und Kinderblut. In: QAnon als antisemitische Querfront - Agitation von Rechts, Bd. 2021 (2021 Mai), 85. S-68-77. → LINK

 

 

Letzter Zugriff auf Links jeweils: 04.12.2025  

Bildnachweise

Script zur Episode

Script

„Verdächtig Mächtig“ - Ein Podcast über Judenfeindschaft und Verschwörungsdenken. Was kennzeichnet Verschwörungsmythen? Warum spielen Fantasien über Jüdinnen und Juden dabei oft eine zentrale Rolle? Und wie kann man dem entgegenwirken? Gemeinsam mit unseren Gästen suchen wir nach Antworten. Ein Projekt von Bildung in Widerspruch e.V.. Gefördert im Rahmen des Berliner Landesprogramms Demokratie, Vielfalt, Respekt, gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus, der Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung. 

Moderation: Florian Eisheuer

 

Heute wird es dämonisch, diabolisch, Böse – Willkommen zu unserer Episode zum Thema teuflische Verschwörungen bei verdächtig mächtig! Warum, mögen sich einige fragen, gibt es in einem Format zum Thema Verschwörungsdenken überhaupt eine Episode über den Teufel? Na für eine richtig gute Verschwörung, braucht man ein gewisses Maß an Böswilligkeit. Und wer ist boshafter als der Teufel? Niemand. 

Religiöse Vorstellungen vom Bösen finden wir trotz einer immer säkularer werdenden Welt auch heute noch. Vor allem in Verschwörungserzählungen. Ein kleines Experiment, zeigt es ganz gut auf: Befehlen wir mal einer KI ein Bild von heimlichen Verschwörern, die die Weltherrschaft anstreben zu gestalten…. Hohe Wahrscheinlichkeit, dass das Bild anmutet wie eine satanische Messe: Düstere Gestalten in Umhängen, unheimliches Ambiente, vielleicht auch irgendwo noch ein paar dämonische Symbole. Bilder vom „Bösen“ und dem Teufel sind eben tief in unserem kulturellen Gedächtnis verwurzelt. Genauso, wie Vorurteile über Jüdinnen und Juden. Und im Antisemitismus spielt der Satan eine große Rolle: Der jüdischen Minderheit wurde jahrtausendelang Bösartigkeit unterstellt. In den christlichen Schriften werden sie sogar direkt als Teufelskinder benannt. Und in Zeiten des Aberglaubens wurden sie als Diener des Satans, Hexen oder Zauberer verunglimpft. Das alles verbindet sich miteinander und deshalb finden wir auch heute noch Elemente christlicher Teufelsvorstellungen in antisemitischen Verschwörungserzählungen. Und denen gehen wir heute auf den Grund. Woher stammen sie, wie transformieren sie sich und wie zeigt sich das heute? Zuerst wollen wir aber von unserer Expertin für die heutige Episode, der Theologin Sarah Han wissen: Wer ist das, der Teufel? 

 

Sarah Han

Die biblischen Texte, die biblischen Schriften kennen kein einheitliches Bild vom Teufel oder vom Teuflischen. Die Personifizierung kommt spät, also die direkte Personifizierung. Aber im Laufe der Geschichte ändert sich das Bild, zumindest in der christlichen Vorstellungswelt, zu einem eigenständigen Wesen. Und dieses Wesen ist dann eine Macht, die dann auf jeden Fall Gott diametral entgegensteht und auch entgegen arbeitet. 

 

Der Gegenspieler Gottes, die Personifizierung des Bösen, der Herrscher der Hölle - Das ist der Teufel, wie die meisten von uns ihn heute auch kennen. Aber, was soll er denn jetzt mit Verschwörungserzählungen zu tun haben?

 

Sarah Han

Die Figur des Teufels als personifiziertes Böse oder als verführende Macht trägt ja in sich selbst schon Elemente der Verschwörungserzählung. Das heißt, der Teufel wirkt im Verborgenen. Er arbeitet hinter Kulissen. Er täuscht, er verführt, er verhindert, er bedroht, er zerstört. Das Gute, die Ordnung. Und wer an ihn glaubt, glaubt meist daran, dass Böse in der Welt nicht zufällig ist, sondern in irgendeiner Form gesteuert. Und Verschwörungserzählungen greifen eben genau dieses Muster auf, indem sie das Weltgeschehen als Kampf zwischen Gut und Böse deuten. Beides operiert mit der Idee eines verborgenen, aber wirkmächtigen Gegenspielers. Und der Glaube an ein absolutes Böses macht die Welt und die erfahrenen Widersprüche in dieser Welt erklärbar. 

 

Diese strukturellen Parallelen im Teufels- und Verschwörungsglauben sind nicht zufällig. Denn beidem liegt eine ganz bestimmte Sicht auf die Welt zugrunde:  Ein Gut und Böse / Freund und Feind-Schema, ein sogenanntes manichäisches Weltbild. Und wenn man sich anschaut, wie weit Verschwörungserzählungen in religiösen Gruppierungen Anklang finden können, lässt das aufhorchen. In vielen fundamentalistischen Kreisen gehören sie sogar zum ideologischen Fundament. Im Islamismus ist das zum Beispiel so. Dem widmen wir uns aber in einer anderen Episode. Wir selbst haben uns aber schon gefragt: Neigen Menschen die an Gott und den Teufel glauben, oder generell religiöse Menschen, auch eher zum Verschwörungsglauben? Pia Lamberty, welche Einsichten liefert uns die Sozialpsychologie dazu?

 

Pia Lamberty

Die Frage nach dem Zusammenhang von Religiosität und dem Verschwörungsglauben ist bis jetzt, aus meiner Sicht, noch nicht abschließend beantwortet aber eine, die viele Menschen interessiert. (...) aber nichtsdestotrotz wird in religiösen Gruppierungen, in einzelnen, Verschwörungsglauben natürlich auch zur politischen Agitation genutzt, um eben auch da Mitglieder an sich zu binden, um darüber zu radikalisieren, weil der ja in Anführungsstrichen „Vorteil“, vom Verschwörungsglauben, von der Radikalisierung ist ja, dass man nicht eine komplexe politische Ideologie entwickeln muss, man muss jetzt nicht Manifeste schreiben, sondern als Agitator kann man mit Geraune arbeiten, man muss einfach nur Feinde benennen, man muss das ja noch nicht mal Ausbuchstabieren, sondern sagen: „Die da oben!“ Und das funktioniert leider enorm gut. Ich würde schon sagen, dass es einzelne Gruppen gibt, bei denen man das stärker findet und ich glaube auch dass das da gezielt genutzt wird, aber für so eine generelle Aussage ist es aus meiner Sicht wissenschaftlich tatsächlich noch zu früh.

 

Ok, Halten wir kurz einmal fest: Der Verschwörungsglauben funktioniert mittels eines manichäischen Weltbildes. Gut – und Böse. Und wer ist schon böswilliger als der Satan? Und im Teufelsglauben gibt es den Moment der Verschwörung: Denn er arbeitet im Hintergrund, er intrigiert, behindert, täuscht und verführt. Wie kommt da jetzt der Antisemitismus ins Spiel? Der passt da sogar ziemlich perfekt hinein. Denn Einerseits wird Jüdinnen und Juden seit Jahrhunderten vorgeworfen, sie würden sich gegen die Gesellschaften, in denen sie leben verschwören. Andererseits gelten sie schon mindestens genauso lange als verdorben, schlecht und diabolisch. Im Johannes Evangelium heisst es sogar, sie wären des Teufels Kinder!

 

Sarah Han

Jüdinnen und Juden wurde über Jahrhunderte hinweg eigentlich nahezu alles unterstellt, was in der christlichen Vorstellungswelt mit dem Bösen verbunden war. Also sei es Lüge, Betrug, Wucherei, Habsucht, Hinterlist, aber auch Verführung, auch sexueller Art, Unehrlichkeit, Täuschung etc. Und all diese Vorwürfe lassen sich dann eben auch verbinden mit der Vorstellung vom Teuflischen. Oder von "dem Teufel" in Anführungsstrichen. Daraus ergibt sich dann aber ein durchgehendes Feindbild. Und zwar wird der Jude nicht einfach nur als Andersgläubiger gesehen, sondern eben als der Feind der Christen, der Feind der Welt, der christlichen Welt, als Feind der Menschen, als Feind Gottes. Und das formt wiederum ein geschlossenes Weltbild. Und zwar, dass der Jude als Individuum hinter dem Mythos eines geheim operierenden Kollektivs verschwindet. Das schließt dann an im Antisemitismus und verknüpft dann politischen und religiösen Bahnen. 

 

Doch wieso eigentlich Jüdinnen und Juden? Wo liegen die Ursprünge dieser Unterstellung, von Grund auf böse zu sein? Mit dem Teufel im Bunde zu stehen? Was sagt unser Historiker dazu: Woher kommen diese antisemitischen Motive des Teuflischen und Bösartigen?

 

Gideon Botsch

Ich denke, in religiöser Hinsicht muss man sagen, dass wir hier wirklich auch auf die Antike zurückgucken müssen, auf die vorchristliche, pagane, hellenistische Ablehnung der jüdischen Religion, wie wir sie vor allem in Ägypten im ersten Jahrhundert nach unserer Zeitrechnung fixieren können. Teile der paganen Welt haben sich mit der jüdischen Religion schwergetan, weil sie abwich von den bekannten Religionen, die sich ja an Götter bilden ließen, wenn ich jetzt einen einzelnen Gott aufstelle und der ist noch nicht mal sichtbar, dann war das schon für manche gläubige Heiden eine große Herausforderung, insbesondere wenn ich mich dann noch weigere, den weltlichen Herrscher als vergöttlicht anzuerkennen. Und nun wurde dieser Jerusalemer Tempelkult, dieser unsichtbare Gott, noch in einem geheimen Raum verehrt, der abgesperrt war, in dem nichts drin war, im Allerheiligsten des Tempels. Und auch als die römischen Truppen in den Tempel eindrangen, um ihn niederzubrennen, fanden sie ja in diesem Raum nichts. Es war ein leerer Raum. Da knüpfte sich das Vorurteil an, die Juden würden da irgendeinen Eselskopf anbeten oder irgendwelche seltsamen Gebete unterhalten. Ob und inwieweit sich das in die christliche Judenfeindschaft übertragen hat, lässt sich nicht so ganz leicht nachweisen. Aber wir müssen schon sehen, so gesehen war das Judentum eine Herausforderung für die pagane Welt und den Siegeszug des Christentums tritt diese Religion ja erst an, als sie sich der paganen Welt, der heidnischen Welt, kompatibel macht, indem sie die heidnischen Mythen christianisiert.

 

Vorstellungen von teufelsähnlichen Wesen, von Dämonen, bösen Geistern etc. sind also schon viel älter als das Christentum. Einige dieser Vorstellungen bleiben dann bestehen und verbreiten sich auch in den christlichen Kulturen. Welche Funktion erfüllte denn die Dämonisierung des Judentums? 

 

Gideon Botsch

Das ist natürlich ein Motiv, wenn ich eine konkurrierende Religion, und wir müssen uns das Judentum als monotheistische Religion zumindest phasenweise als eine Konkurrenz zum Christentum und zum Islam vorstellen. Wenn ich eine andere Religion abwerten will, dann ist es natürlich leicht zu sagen: Das was ihr anbetet, das ist der Teufel, das ist der Gegenspieler Gottes.

 

Aber der Vorwurf der Teufelsmacht lässt sich nicht einfach nur als Konkurrenz zwischen Religionen erklären. Im Fall des Judentums hat diese Diffamierung noch eine zusätzliche Funktion:

 

Sarah Han

Die Ablehnung von Jesus von Nazareth als dem Messias durch das Judentum wird als Zeichen von einer Verstocktheit, einer Blindheit oder sogar einer Boshaftigkeit gedeutet. Das Judentum als Negativbild ermöglicht dann erst, dass das positive Selbstbild der Christen formuliert werden kann. Das heißt, weil die Juden Jesus als Christus verneinen, sind sie von Gott verworfen und die Christen dementsprechend das neue, wenn nicht sogar das bessere Volk Gottes.

 

Die sogenannte „Substitutionslehre“ ist es, die versucht das Dilemma der Kirche aufzulösen: Denn das Christentum ist aus dem Judentum heraus entstanden. Jesus und seine Jünger waren selbst jüdisch. Auch die hebräische Bibel teilen sich beide Religionen. Der jüdische und der christliche Gott sind quasi derselbe. Doch Jüdinnen und Juden erkennen eben Jesus nicht als Messias an. Der Messias ist laut jüdischer Auslegung nämlich noch gar nicht erschienen. Die Kirche stand also vor dem Dilemma, einerseits dem Gott und den heiligen Schriften des Judentums verbunden bleiben. Andererseits sich scharf von Jüdinnen und Juden abzugrenzen. Dabei half der sogenannte Gottesmordvorwurf.

 

Sarah Han

Und hinzu kam der historisch absolut unsinnige Vorwurf der Kreuzigung als eine Kollektivzuschreibung an das gesamte jüdische Volk, das dann auch transgenerationell gedacht wurde. Also wer Christus getötet hat, so diese Logik in dieser Erzählung, ist zu jeder Form von Boshaftigkeit und von Bösem fähig.

 

Ein Mord am Sohn Gottes? dem Heiland? dem Messias? – das ist schon ganz schön böse. Und genau deshalb erfährt diese Legende über die Jahrhunderte immer wieder neue Aufladungen. Denn damit lässt sich auch Ausgrenzung und Gewalt legitimieren. 

 

Im Mittelalter taucht eine neue Form des sogenannten „Gottesmord“-Vorwurfs auf: der Hostienfrevel. Im 13. Jahrhundert hatte sich in der Kirche die Vorstellung durchgesetzt, dass sich die Hostie während der Messe tatsächlich in den Körper von Jesus verwandelt. Sie gilt nun als etwas extrem Heiliges. Jüdinnen und Juden sollen diese geweihten Hostien angeblich stehlen, „foltern“ und durchbohren – um aus purer Boshaftigkeit die Tötung Jesu zu wiederholen. Gewalt an Jüdinnen und Juden erfährt dadurch eine Legitimation: Nun kann man sie als “Christusmörder” weiter verfolgen. Und das alles sei nichts anderes als: Gottes Strafe. Besonders brutal zeigt sich dieses Denken während der Kreuzzüge: Ab dem 11. Jahrhundert ziehen tausende Menschen als sogenannte „Kreuzfahrer“ Richtung Jerusalem. Ihr Ziel: Die Stadt von den islamischen Herrschern zu „befreien“. Auf ihrem Weg dorthin ermorden sie alle Jüdinnen und Juden, die sich weigern, sich taufen zu lassen.

 

Zwangstaufen gab es immer wieder im christlichen Europa. Um den Erhalt der politischen Vormachtstellung zu sichern, wurde hart gegen jede andere Religion vorgegangen, nicht nur gegen das Judentum. Aber zusätzlich war der Kirche das Beharren und die nicht-Anerkennung Jesus als Sohn Gottes ein Dorn im Auge. Doch das das alleine erklärt nicht das Wesen der christlichen Judenfeindschaft. Sonst hätten Jüdinnen und Juden ja einfach nur Jesus als Heiland anerkennen und  sich taufen lassen müssen und schon wäre es mit der Judenfeindschaft aus gewesen? Oder? Nein! Denn der Antijudaismus war mehr als einfach nur die Ablehnung von Andersgläubigen. Und auch der Teufel spielt da wieder eine Rolle:

 

Sarah Han

Einige Anti-Judaisten gingen dann auch so weit, weil sie ständig erklären mussten, warum es nach dem Christusereignis überhaupt noch Jüdinnen und Juden und überhaupt diesen jüdischen Glauben gab, ging dann soweit zu behaupten, dass es der Satan sei, der die Juden davon abhalte, Christus zu erkennen. Christus zu erkennen und die Taufe anzunehmen. Andere wiederum behaupteten dann auch, dass Juden trotz der Taufe Juden blieben, weil das Dämonische einfach bleibend ist. Und das Interessante dabei ist, dass dann aber dem Teufel, dem Dämonischen, dieser ominösen Macht, aber eben auch dem Judentum und dem jüdischen Glauben mehr Wirksamkeit zugesprochen wurde als dem Sakrament der Taufe selbst. Das wurde aber natürlich ausgeblendet in diesem Denken.

 

Da müssen wir noch einmal nachhaken: Jüdinnen und Juden wären also quasi von Geburt an „schlecht“? Und selbst eine Konversion zum christlichen Glauben würde daran nichts ändern? Damit betreten wir eigentlich schon das Terrain des Rassismus – die Vorstellung, es gäbe so etwas wie Menschenrassen. Mit angeborenen unveränderlichen Charaktereigenschaften.  Und bestimmte Menschengruppen wären von Natur aus besser oder schlechter als andere. Noch bevor die ersten Vordenker dieser Ideologie auf den Plan treten, finden sich ähnliche Denkstrukturen bereits im christlichen Antijudaismus. Ein tragisches Beispiel dafür ist die Geschichte der sephardischen Jüdinnen und Juden in Spanien und Portugal:

 

Mit der Christianisierung der zuvor muslimisch beherrschten iberischen Halbinsel – der sogenannten Reconquista – beginnt eine Zeit massiver Unterdrückung religiöser Minderheiten. Im 14. und 15. Jahrhundert kommt es zu schweren Pogromen und zu Zwangstaufen der jüdischen Bevölkerung. Viele fliehen, um diesem Schicksal zu entkommen – nach Mitteleuropa, nach Nordafrika oder ins Osmanische Reich.

Trotzdem werden in Spanien und Portugal über 260.000 Menschen gezwungen, zum katholischen Glauben überzutreten. Sie heißen Conversos, werden manchmal auch abschätzig Marranen genannt, was „Schweine“ bedeutet. Einige Conversos leben nach außen ein christliches Leben, praktizieren aber im Geheimen weiter ihre Religion. Diese sogenannten Krypto-Juden sind der Kirche ein Dorn im Auge. Um sie – und andere Minderheiten – zu verfolgen, gründen die katholischen Herrschenden die berüchtigte Inquisition. Über Jahrhunderte hinweg werden Jüdinnen und Juden verfolgt, gefoltert, in öffentlichen Schauprozessen  verurteilt und nicht selten auf Scheiterhaufen ermordet. Doch die „Krypto-Juden“ sind eine Minderheit. Viele der Conversos nehmen den christlichen Glauben wirklich an. Aber auch dann werden sie nicht akzeptiert. Denn bald heißt es seitens der Kirche: Es gehe gar nicht nur um den Glauben. Jüdinnen und Juden wären qua ihres Blutes verdorben – ein Denken, das einen Prototyp der späteren Rassenlehre darstellt. 

 

Während der spanischen Reconquista finden wir also wirklich mal eine jüdische Gruppe, die im Geheimen agiert. Ihre Verschwörung besteht allerdings nicht in der Beutelung der Menschheit, Zerstörung von Gesellschaften oder Verbündung mit dem Teufel. Sondern sie treffen sich im Geheimen, um ihre Religion praktizieren zu können. Nachdem sie durch Mord und Vertreibung überhaupt erst in diese Lage gezwungen wurden. Aber einige Verschwörungsgläubige nutzen auch heute noch diesen historischen Umstand als Beweis für die angeblichen versteckten Machenschaften von Jüdinnen und Juden. Im Sprachgebrauch von antisemitisch Denkenden sind also mit „Krypto-Juden“ nicht Conversos gemeint. Sondern heutige getarnte Verschwörer und Verschwörerinnen, die ihre jüdische Identität verheimlichen würden.  Praktisch, denn so kann theoretisch einfach jeder Mensch zum jüdischen Verschwörer erklärt werden. Aber zurück zum Bösen: Denn das ist ein so starkes antisemitisches Motiv, dass es nicht nur bei der Unterstellung von Bösartigkeit bleibt. Spätestens im Mittelalter kommen noch Legenden von Hexen, Magiern, Zauberern und anderen Teufelsanbetern hinzu, die angeblich die Christenheit gefährden würden. Und ein noch unheimlicheres Wesen betritt die Bühne: 

 

Eine relevante Figur im christlichen Teufelsglauben ist der Antichrist. Er taucht ursprünglich im Neuen Testament auf – als Gestalt, die die Menschen täuscht.

Ein falscher Messias, der Gläubige verführt. In der christlichen Theologie steht er oft als Symbol für das ultimative Böse – den Gegenspieler Christi. In den unterschiedlichen Schriften heißt es, er würde äußerlich wie Christus erscheinen, aber eigentlich dem Teufel dienen. Im Mittelalter erfährt die Figur des Antichristen dann eine Judaisierung. Fast immer wird der Antichrist fortan als Jude – oder in Verbindung mit dem Judentum – dargestellt. Das liegt auch in der Logik der Erzählung selbst: Der Antichrist teilt sich viele Eigenschaften mit Jesus – nur eben ins Negative verkehrt. Und weil Jesus selbst Jude war, muss auch der Antichrist jüdisch sein. Heute begegnet uns der Mythos vom Antichristen in neuen Formen: In Verschwörungserzählungen, in rechtsextremen Ideologien, in esoterischen Strömungen oder in christlich-fundamentalistischen Milieus.

 

Sarah Han

der Antichrist ist eine Figur, die über Jahrhunderte zur Projektionsfläche christlicher Ängste wurde und spielte dabei dann eine zentrale Rolle um das Judentum als das Andere als das Dämonische, als das dem Teufel dienende Volk darzustellen, als gefährlich und eben auch weltbedrohlich zu markieren. Die Rhetorik, Symbolik und auch die Feindbildkonstruktion bedient sich dann eben der Muster von Dämonisierung, von Gesetzlichkeit, von Aufhalten des Heils oder auch eben Zerstören des Heils, aber in jedem Fall des Dienen des Teufels.

 

Neben der jüdischen Minderheit sind es aber auch andere Gruppen, die im christlichen Europa immer wieder beschuldigt werden, den Teufel anzubeten – besonders häufig trifft es die Minderheit der Sinti. Und nicht nur Minderheiten, vor allem Frauen sind es, die als Hexen verfolgt und angeklagt werden. Zehntausende werden bis in die frühe Neuzeit hinein ermordet. Fassen wir einmal kurz zusammen: Antijüdische Bilder vom Bösen, Dämonischen finden wir schon in paganen Zeiten. In den späteren christlichen Gesellschaften werden diese aufgenommen, und vermischen sich mit Aberglauben und Teufelsvorstellungen. Satan steht spätestens im Mittelalter dann für das absolute Böse, für den Widersacher Gottes. In den Schriften des Christentums werden Jüdinnen und Juden mit ihm in Verbindung gebracht: Sie seien Teufelskinder, der Antichrist, wären von Grund auf böse und verschwörerisch. Diese antisemitischen Motive prägen die christliche Judenfeindschaft über Jahrhunderte. Und sie bestehen bis heute fort, sie sind wie ein Code in unsere Kultur eingeschrieben. Gideon Botsch, wie kann sowas aussehen? Nennen sie uns bitte ein Beispiel.

 

Gideon Botsch

Wenn wir uns überlegen, wie das klassische Bild des Zauberers in unserer Kultur aussieht, in all unseren Kinderbüchern, dann ist das ganz eng verbunden mit dem äußeren Erscheinungsbild des mittelalterlichen Juden. Ein spitzer Hut, ein langer Umhang, langer Bart, langer, dunkler oder grauer Bart, gerne auch mal eine Hakennase und dann werden fremdländische Sätze gemurmelt. "Hokus pokus" klingt lateinisch, ist verballhorntes Latein, aber "Abra kadabra" klingt ein bisschen wie aschkenasisches Hebräisch im Sing-Sang. 

 

Aber ist es nicht so, dass es in unserer Gesellschaft einen Trend zur Säkularisierung gibt? Also einem Trend zu nicht religiösen Weltanschauungen. Die christlichen Kirchen verzeichnen in Deutschland seit Jahrzehnten schwindende Mitgliederzahlen. Hieße das nicht eigentlich, dass auch solche stark durch die Religion geprägten Motive weniger Verbreitung finden sollten? Müssten antisemitische Motive wie die Bösartigkeit, Teufelsanbetung oder gleich die Inkarnation als Antichristen denn nicht heute, in einer säkularisierten Welt, verschwunden sein? 

 

Sarah Han

Also sie sind schon längst kulturell verankert. Das heißt, selbst Menschen ohne religiösen Hintergrund übernehmen Bildwelten und Bildprogramme, die tief aus einer christlich-antijüdischen Tradition stammen und dies auch oft unbewusst. 

der christliche Anti-Judaismus ist als Gewebe zu verstehen, dessen einzelne und/oder kombinierte Motive und Narrative sich über Jahrhunderte verdichteten und dann auch über das Religiöse hinaus wirken konnten. Also brauchten irgendwann keinen theologischen Rahmen mehr, keine Frage nach dem Heil, also nach dem göttlichen Heil, um zu funktionieren. Das heißt, auch dort, wo Menschen meinen, mit der Religion nichts mehr zu tun zu haben, leben die Muster aus diesem Gewebe weiter in kulturellen, politischen oder auch sozialen Erzählungen.  Und festgehalten werden muss aber an der Stelle, dass diese Bilder dem christlichen Glauben widersprechen. Weil sie mehr über den eigenen Unglauben an die Barmherzigkeit Gottes aussagen als über den vermeintlichen Unglauben der anderen. 

 

Antijudaistische Motive, Vorurteile und Bilder werden also trotz ihres oft christlichen Ursprungs von unterschiedlichen Menschen geteilt. Christliche Gläubige, aber auch Menschen die sich agnostischen oder atheistischen Weltbildern zuwenden. Und auch Gläubige anderer Religionen können den kulturellen Code des Antisemitismus schon längst übernommen haben. Schauen wir uns dazu ein eindrucksvolles Beispiel der letzten Jahre an. Hier finden wir eine Kombination aus alten antisemitischen Mythen, die Jüdinnen und Juden teuflische Rituale unterstellen und moderner Verschwörungserzählung:

 

Die sogenannte Ritualmordlegende ist eine der ältesten antisemitischen Mythen Europas. Sie behauptet, Jüdinnen und Juden würden christliche Kinder töten,

um deren Blut für religiöse Zwecke zu verwenden. Meistens werden dabei teuflische, jüdische Rituale fantasiert. Rituale allerdings, die mit den jüdischen Traditionen überhaupt nichts zu tun haben. Denn im Judentum ist das Verzehren von Blut schlicht verboten. In manchen mittelalterlichen Erzählungen geht die Fantasie noch weiter und zieht eine direkte Verbindung zum Teufel: Da heißt es etwa, jüdische Kinder würden mit Hörnern geboren, die nur mit Menschenblut entfernt werden könnten. Dennoch verbreitet sich die Ritualmordlegende über ganz Europa – sogar bis nach Nordafrika. Und die Folgen? Sie sind verheerend: Pogrome, Vertreibungen, Morde. Und: Das Bild des „jüdischen Kindermörders“ wird zu einem festen Bestandteil antisemitischer Propaganda. Dieses alte Phantasma lebt bis heute weiter – in neuer Form. Anhängerinnen und Anhänger der rechtsextremen QAnon-Bewegung behaupten zum Beispiel, eine weltweite Verschwörergruppe entführe Kinder, um aus deren Blut ein Verjüngungsmittel herzustellen. Die Drahtzieher seien unter anderem bekannte jüdische Persönlichkeiten. d Diese wahnsinnige Vorstellung gleicht in vielen Einzelheiten den alten Ritualmordlegenden – nämlich der Idee, dass Jüdinnen und Juden, oder jene, die man dafür hält, das Böse schlechthin verkörpern.

 

Wir kommen langsam zum Schluss unserer Teufels-Episode. Wir wollen noch von unserer Expertin wissen: Was können wir tun? Gegen solche tiefverankerten Vorurteile? 

 

Was tun?

Also der Teufel hat eine, also die Teufelsfigur hat eine Attraktivität, Anziehungskraft und dem er so ominös ist, aber darin eben auch mächtig ist. Und er kann unglaublich gut instrumentalisiert werden, um eigene Vorurteile zu erhärten. Und ich denke, wir tun gut daran, darauf skeptisch, sensibel und kritisch zu reagieren, wenn etwas verteufelt wird, also wenn etwas als absolut anderes dargestellt wird und darin aber schlecht sein soll. Also letztendlich bedient es und aktiviert es gerade in Krisenzeiten Ängste. Ängste gibt es, sind auch menschlich, aber man muss aufpassen, dass diese eben nicht instrumentalisiert werden. und sie sind leicht instrumentalisierbar und sie sind auch leicht verstärkbarer in dem Moment, wo behauptet wird, dass es eben eine teuflische Macht ist, die dahintersteht, das, was wir jetzt noch nicht erkennen werden, was dann aber kommt und es ist unglaublich apokalyptisch, dass alles zugrunde gehen wird. Sobald es um Apokalyptik geht, sollte man doch sehr kritisch sein dazu. Und sich dann, ja, im schulischen oder auch im Bildungsbereich damit auseinandersetzen, wo diese Bilder herkommen und wofür sie gedacht waren. Dass sie schon immer polemisch gedacht waren, dass sie dichotom gedacht waren, dass sie ein dualistisches Denken befördert haben eben zwischen Gut und Böse, zwischen rein und unrein, zwischen gerecht und ungerecht und so weiter. Und dass man da einfach wirklich wachsam sein sollte, diese Stereotypen nicht einfach zu verwenden, weil sie eine unglaubliche Gewaltgeschichte auch hinter sich haben oder nach sich gezogen haben. Und es bleibt dann eben nicht nur bei der Erzählung, sondern das bewirkt was, indem man mit den Ängsten der Menschen operiert.

 

Wir sind am Ende angelangt. Fassen wir noch mal zusammen: 

Erstens: die Figur des Teufels steht sinnbildlich für das Böse und das Verborgene und liefert damit eine Blaupause für viele Verschwörungserzählungen.

Zweitens: religiöse und kulturelle Bilder vom Dämonischen haben sich über Jahrhunderte mit judenfeindlichen Vorstellungen verflochten. Jüdinnen und Juden gelten als absolut böse. Durch ihre angebliche Verbindung mit übernatürlichen satanischen Kräften wird ihnen eine teuflische Allmacht unterstellt. Sie wären moralisch, aber auch technisch zu allem fähig. Das macht sie zu den perfekten Verschwörern.

Drittens: Teufelsglauben und Antisemitismus sind tief in unserem Denken eingeschrieben. Wir alle sind mit ihnen in Berührung gekommen und müssen diese Bilder erst mal aktiv hinterfragen und verlernen. Das gilt auch für säkulare Zeiten. 

Und viertens: wer verstehen will, wie gefährlich diese Erzählungen sind, sollte genau hinsehen, wenn etwas verteufelt wird. Denn dort, wo das Andere zum absolut Bösen erklärt wird, beginnt Ausgrenzung – und allzu oft auch Gewalt. Das wars von uns, bis zum nächsten Mal bei verdächtig mächtig. 

 

„Jüdinnen und Juden wurden über Jahrhunderte hinweg eigentlich nahezu alles unterstellt, was in der christlichen Vorstellungswelt mit dem Bösen verbunden war. Und all diese Vorwürfe lassen sich dann eben auch verbinden mit der Vorstellung vom Teuflischen.“
Sara Han
„Wenn ich eine andere Religion abwerten will, dann ist es natürlich leicht zu sagen: "Das was ihr anbetet, das ist der Teufel, das ist der Gegenspieler Gottes".“
Gideon Botsch

Themenfolgen

Wer regiert uns?

Mythen über "die Juden" und die Politik

Wer macht uns krank?

Mythen über "die Juden" und Medizin

Special

Ein Gespräch über Monitoring und Beratung

Wer verrät uns?

Mythen über "die Juden" und Krieg

Wer zerstört die Umwelt?

Mythen über "die Juden" und Natur

Wer lügt uns an?

Mythen über "die Juden" und die Medien

Wer lenkt das Geld?

Mythen über "die Juden" und die Finanzsphäre

Special

Ein Gespräch über die Gefahren des Engagements