Wer regiert uns?
Mythen über "die Juden" und die Politik
zum Thema
Florian Teller…
… ist Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei der Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz (FARN). Er hat Religionswissenschaften und Journalistik in Leipzig studiert. Seine Schwerpunkte sind rechte Ökologie, braune Esoterik und der Mythos Deutscher Wald.
Prof. Dr. Gideon Botsch…
… ist Politik- und Sozialwissenschaftler. An der Universität Potsdam doziert er in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Er publiziert und forscht seit Jahren zu den Themen Antisemitismus und Rechtsextremismus und ist Leiter der “Emil Julius Gumbel Forschungsstelle”. Von ihm erschienen ist unter anderem „Umvolkung und Volkstod - Zur Kontinuität einer extrem rechten Paranoia" (2019).
Dr. Pia Lamberty…
… ist Psychologin. Sie forscht seit Jahren zu der Frage, warum Menschen an Verschwörungserzählungen glauben und ist Mitbegründerin von CEMAS, dem “Center für Monitoring, Analyse und Strategie”. Gemeinsam mit Katharina Nocun veröffentlichte sie 2020 den Bestseller „Fake Facts – Wie Verschwörungstheorien unser Denken bestimmen“. Im Jahr 2023 erschien außerdem noch “Gefährlicher Glaube. Die radikale Gedankenwelt der Esoterik” (2022).
Hier geht es zur Berliner Beratungsstelle für Betroffene von Verschwörungserzählungen → LINK
Hier geht es zum Beratungskompass Verschwörungsdenken → LINK
Quelle 1 – Artikel und Forschung zu VErschwörungserzählungen nach Naturkatastrophen:
Quelle 2 – Frequently Asked Questions About Wildfires in California. Legislative Analyst’s Office, Kalifornien. → LINK
Quelle 3 – Verschwörungserzählungen zu den kalifornischen Waldbränden
Quelle 4 – Yi Qian: Sustainable Management of Water Resources. In: Engineering, Volume 2, Issue 1, 2016, S. 23-25. → LINK
Quelle 5 – David Nirenberg: Anti-Judaismus. Eine andere Geschichte des westlichen Denkens.
München 2015.
Quelle 6 – Bodo Kahmann: Feindbild Jude, Feindbild Großstadt. Antisemitismus und Großstadtfeindschaft im völkischen Denken. Göttingen 2016.
Quelle 7 – Joachim Schlör: "Der Urbantyp" – Stadtbewohner par excellence. In: Julius H. Schoeps, Joachim Schlör (Hg.): Bilder der Judenfeindschaft: Antisemitismus – Vorurteile und Mythen. Augsburg 1999.
Quelle 8 – Uwe Puschner: Völkische Weltanschauung. In: Wolfganz Benz (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus. Band 3: Begriffe, Theorien, Ideologien. Berlin 2009. S.338f.
Quelle 9 – Peter Emil Becker: Sozialdarwinismus, Rassismus, Antisemitismus und Völkischer Gedanke. Wege ins Dritte Reich. Stuttgart 1990.
Quelle 10 – Julien Reitzenstein, Dirk Rupnow, Bernd-A. Rusinek (Hrsg.): Völkisches Denken 1848 bis 1948. Von der Paulskirche über Weimar zum Petersberg. Berlin 2023.
Quelle 11 – Ludwig Trepl: Die Idee der Landschaft. Eine Kulturgeschichte von der Aufklärung bis zur Ökologiebewegung. Bielefeld 2012. Kapitel: Blut und Boden: die NS-Landschaftsidee, S. 189–214
Quelle 12 –Bernd Sösemann: Appell unter der Erntekrone: Das Reichserntedankfest in der nationalsozialistischen Diktatur. In: Jahrbuch für Kommunikationsgeschichte, Bd. 2 (2000), S. 113–156. → LINK
Quelle 13 – Ethnopluralismus. Bundeszentrale für politische Bildung. → LINK
Quelle 14 – Kurtze Beschreibung und Erzehlung von einem Juden, mit Namen Ahasverus...
Aus dem Jahr 1602. München, Bayerische Staatsbibliothek. → LINK
Quelle 15 – Zur Genese der antisemitischen Legende des “wandernden Juden”
Quelle 16 – Zum NS-Propagandafilm
Quelle 17 – Yannick Passeick: Rechtsextremismus im Natur- und Umweltschutz. Expertise für FARN / Vielfalt-Mediathek. → LINK
Quelle 18 – Söhne und Töchter der Taiga – Die völkisch-esoterische Anastasia-Bewegung. Netzwerk FARN. → LINK
Quelle 19 – Artikel-Sammlung zur Anastasia Bewegung
Quelle 20 – Paul Hildebrandt: Die Aussteigerin. In: Die Zeit, Nr. 25/2019, 13.05.2019. → LINK
Quelle 21 – Jonas Reese, Christopher Weingart: Wie Leugner den Klimaschutz ausbremsen. Deutschlandfunk, 19.08.2024 . → LINK
Quelle 22 – Christoph Richter, Fabian Klinker, Axel Salheiser: Klimadiktatur? Rechte Ideologie und Verschwörungsnarrative zur Klimapolitik in den Sozialen Netzwerken. In: Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft (Hg.): Wissen schafft Demokratie. Tagungsband zur Online-Fachtagung „Gesellschaftlicher Zusammenhalt & Rassismus“, Band 11. Jena, S.80-93. → LINK
Quelle 23 – Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz (Hrsg.): Die extreme Rechte zwischen Klimawandelleugnung und Klimanationalismus. Berlin 2021.
Quelle 24 – Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz (Hrsg.): Wenn Rechtsextreme von Naturschutz reden – Argumente und Mythen. Ein Leitfaden. Berlin 2019.
Quelle 25 – Tobias Meilicke, Cornelius Strobel (Hrsg.) Aufgeheizt Verschwörungserzählungen rund um die Klimakrise. Bundeszentrale für politische Bildung. Bonn 2023.
Letzter Zugriff auf Links jeweils: 18.09.2025
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„Verdächtig Mächtig“ - Ein Podcast über Judenfeindschaft und Verschwörungsdenken. Was kennzeichnet Verschwörungsmythen? Warum spielen Fantasien über Jüdinnen und Juden dabei oft eine zentrale Rolle? Und wie kann man dem entgegenwirken? Gemeinsam mit unseren Gästen suchen wir nach Antworten. Ein Projekt von Bildung in Widerspruch e.V.. Gefördert im Rahmen des Berliner Landesprogramms Demokratie, Vielfalt, Respekt, gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus, der Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung.
Moderation: Jonas Fegert
Na, klingt das nicht schön? Zwitschernde Vögel, das Rauschen des Waldes, die Klänge der Natur – wer wird denn da an Verschwörungen und Antisemitismus denken? – Wir! Denn genau darum geht es heute bei unserer neuen Episode von verdächtig mächtig. Denn wenn wir über Natur sprechen, dann geht es nicht nur um blühende Landschaften und dergleichen. Es geht auch um das, was Menschen unter „Natürlichkeit“ verstehen und konstruieren. Denn das hängt häufig mit menschenverachtenden Einstellungen, darunter eben auch dem Antisemitismus zusammen.
In dieser Episode wird es aber nicht nur um den Zusammenhang von Antisemitismus und Naturvorstellungen gehen, sondern auch um so etwas:
(Radiobeitrag Überschwemmungskatastrophe)
Wir reden auch über Umweltkatastrophen. Denn wie immer gilt die Faustregel: Auf Krisen folgen Verschwörungserzählungen. In Zeiten multipler Krisen, die durch den Klimawandel nur noch zunehmen werden, ist das besonders fatal. Und natürlich lassen da auch antisemitische Verschwörungsfantasien nicht lange auf sich warten. Ihre Bandbreite zeigt auf, wie Antisemitismus funktioniert: Denn mal sind Jüdinnen und Juden Schuld am Klimawandel, mal haben sie ihn erfunden, um ihre Weltherrschaft zu etablieren. Am Ende sind sie immer schuld – an allem! Aber – gehen wir der Reihe nach. Und beginnen erst mal bei den Umweltkatastrophen. Fluten, Lawinen, Erdbeben, Tsunamis, Dürren, Waldbrände... Wieso sehen wir eine so große Anfälligkeit für Verschwörungserzählungen, wenn wir es mit einer Umweltkatastrophe zu tun haben? Dazu die Psychologin Pia Lamberty:
Pia Lamberty
Aus meiner Sicht werden Katastrophen eigentlich immer von so einem Mehrklang begleitet aus Falschinformationen, Gerüchten, Mythen, die nicht aus Absicht verbreitet werden, sondern die eben entstehen in diesem Informationsvakuum, das ja in der Katastrophe häufig ist. Dann hat man in der Regel Verschwörungserzählungen oder Propaganda, die mit Absicht häufig verbreitet wird, um die Katastrophe für sich politisch zu instrumentalisieren und dann hat man eben auch vor Ort ganz häufig antidemokratische Akteurinnen, die auch nochmal versuchen, ja, eigenes Kapital aus der Katastrophe zu schlagen. Und das ist etwas also man muss sich vorstellen, wir haben eine Katastrophe und ganz häufig bricht erstmal die Informationsinfrastruktur zusammen. Das Handynetz funktioniert nicht mehr, normale Kommunikationskanäle sind unterbrochen, es gibt vielleicht keinen Zugang zu Telefon, Fernsehen, was auch immer und in dieser, in dieser Informationsleerstelle in einer Zeit, in der ja eigentlich Menschen enormen Bedarf danach haben, Informationen zu bekommen, wird das eben gefüllt mit Ideen und Spekulationen usw.
Tatsächlich können wir ähnliche Szenarien auf der ganzen Welt beobachten. Dass sind mal Gerüchte über künstlich verursachte Erdbeben oder Fantasien über angeblich kontrolliert herbeigeführte Tornados. Nicht immer werden Jüdinnen und Juden hinter solchen Naturkatastrophen vermutet. Aber es ist möglich. Schauen wir uns mal ein Beispiel aus den USA, besser gesagt aus Kalifornien, an:
Im US-amerikanischen Bundesstaat Kalifornien gehören Waldbrände zur Normalität. In den letzten Jahren fallen diese jedoch immer zerstörerischer und verheerender aus. Kritik über unzureichende Prävention wird laut, aber auch antisemitische Verschwörungserzählungen erhalten einen Aufschwung. Eine besonders kuriose Erzählung wird in den sozialen Medien sogar von einer US-Politikerin verbreitet. Die Brände seien nicht natürlichen Ursprungs, sondern durch jüdische Laser aus dem Weltraum entfacht – den „Jewish space lasers“. Eine andere Verschwörungserzählung nimmt das jüdische Milliardären-Ehepaar Stewart und Lynda Resnick in den Fokus. Sie besitzen Anteile eines kalifornischen Wasseranbieters, der unterirdische Wasserspeichersysteme und Renaturierung von Feuchtgebieten vorantreibt. Verschwörungsdenkende beschuldigen die Resnicks deshalb Wasser zu horten und damit die Brandbekämpfung absichtlich zu sabotieren.
Jüdische Weltraumlaser… ja - das haben wir uns nicht ausgedacht. Das Beispiel der kalifornischen Waldbrände zeigt ganz gut, wie schnell sich in Zeiten von Klima- und Umweltkatastrophen Verschwörungserzählungen verbreiten können. Dass es auch Jüdinnen und Juden trifft, ist wie immer kein Zufall. Denn die Vorstellung, dass diese die Umwelt zerstören würden, ist verbreiteter als man denken mag – und: Es ist wie immer ein alter antisemitischer Mythos. Dem gehen wir heute auf die Spur und wollen erst mal von unserem Historiker Gideon Botsch wissen: Wo sehen Sie den Ursprung in der antisemitischen Unterstellung, dass Jüdinnen und Juden die Umwelt zerstören würden?
Gideon Botsch
Viele anti-jüdische Motive und Stereotypen funktionieren deswegen, weil sie auf Grundunterscheidungen zurückgehen, die Juden ganz bestimmte Eigenschaften zuschreiben oder diese Eigenschaften als jüdisch oder judaisierend darstellen. Der Mittelalterhistoriker David Nirenberg hat das in Bezug auf das Christentum die paulinische Unterscheidung genannt. Und ein zentrales Motiv der paulinischen Unterscheidung ist, dass eben in Abgrenzung zum Judentum die Lehre Christi als das Wahre, das Konkrete, das Echte, das Lebendige dargestellt wird. Die jüdische Lehre und das Judentum, das Erstarrte, das Abstrakte, das nur Wörtliche, das nur lebensfeindliche, Unlebendige ist.
Jüdinnen und Juden wären also spirituell erstarrt, unfähig, die Wahrheit zu erkennen – oder eben in Bezug auf unser Thema: Sie könnten die Natur gar nicht wertschätzen. Ehrlich gesagt, ist das noch ein bisschen zu abstrakt. Schauen wir uns das genauer an. Dazu gehen wir nicht noch mal in die USA, sondern bleiben in Deutschland. Und wir holen unseren Experten Florian Teller dazu: Wie genau zeigt sich diese Unterstellung im Kontext Natur genau?
Florian Teller
Jüdinnen und Juden werden als Menschen gesehen, die - im Gegensatz zu den Deutschen - Natur nicht spirituell begreifen können, die Natur nicht als Kraftquelle begreifen können, wie die Deutschen das tun oder wie es ihnen zugeschrieben wird. Jüdinnen und Juden werden gesehen als Ausbeuter, die Natur nur ausbeuten können. Während die Deutschen, wenn sie auf ein Stück Wald gucken würden, würden sie dort spirituelle Heimat sehen, das Zuhause, die Verwurzelung, eine Kraftquelle, was auch immer. Und dann wurde eben gesagt, wenn Jüdinnen und Juden sich dieses Stück Wald angucken, dann sehen sie darin vor allem Geld.
Das Geld-Motiv – ein Klassiker! Das begegnet uns natürlich auch bei diesem Thema. Aber zurück zu der ideologischen Grundlage. Denn wenn Jüdinnen und Juden für das Abstrakte, das Unlebendige, ja quasi das Gegenteil von Natur und Leben stehen… Wie sähe denn so eine jüdische Umwelt aus?
Florian Teller
Jüdinnen und Juden wurden als Wüstenvolk betrachtet, die in Natur nur einen Ausbeutungsgegenstand sehen könnten. Die Stadt wurde als ein Hort des Geldes und eben auch als ein Hort des Judentums gesehen. Das Judentum wurde in eins gesetzt mit Moderne, mit Liberalismus, mit Aufklärung und eben mit “Kosmopolitismus”, wie es damals hieß. Heute würde das “Globalisierung” heißen. Also wirklich ganz klassische antisemitische Motive.
Das Wüstenvolk, dass anstelle von blühenden Landschaften nur Sand und Ödnis kennt… die paulinische Unterscheidung lässt sich dort sehr gut erkennen. Das Motiv der Stadt als „verjudetes“ Übel ist ebenso ein klassisch antisemitisches Motiv und entsteht quasi gleichzeitig mit der Industrialisierung und der Verstädterung. Und lässt sich auch in den Anfängen der Naturschutzschutzbewegungen festmachen:
Florian Teller
In dem Zuge, wo sich die ersten Ökologiebewegungen formierten, gab es ja auch schon Antisemitismus - antisemitische Vereine oder also Judenfeindlichkeit eben als Motiv in kirchlichen Kreisen. Und das floss auch in den Naturschutz mit ein. Zum Beispiel beim Bund Heimatschutz, der 1904 von Ernst Rudolf gegründet wurde. Die ersten Naturbewegungen haben die Schattenseiten der industriellen Revolutionen folgerichtig erkannt. Also: Wasserverschmutzung, Umweltverschmutzung, Luftverschmutzung, Verstädterung, Verelendung in den Städten. (Die) haben aber diesen Schattenseiten so ein romantisches Ideal des deutschen Bauerntums entgegengesetzt. Sie wollten eigentlich zurück zu einer vorständischen Gesellschaft, wo jeder Mensch seinen Platz hat. Und weil das Bauerntum überhöht wurde, wurde als Gegenpart die Stadt als etwas Negatives gesehen.
Die Städte, mit ihrer Umweltverschmutzung, ihrer Industrie, ihrer Verelendung und Überbevölkerung. Als Beweis für die Identifikation mit dem Judentum gilt auch der Umstand, dass Jüdinnen und Juden tatsächlich eher städtisch als ländlich lebten. Was sagt Gideon Botsch dazu? Woran liegt das?
Gideon Botsch
Das strikte Verbot der landwirtschaftlichen Tätigkeit, teilweise sogar des Landbesitzes für Juden in vielen europäischen Gesellschaften. Das eben dazu führte, dass eine Bebauung, eine Urbaumachung des Landes über weite Phasen gar nicht möglich war und dass wir deswegen so gut wie keine Juden in der Landwirtschaft über weite Phasen der europäischen jüdischen Geschichte identifizieren können.
Aber um den Zusammenhang zwischen antisemitischem Verschwörungsdenken und Naturvorstellungen zu klären, müssen wir noch tiefer in die Ideologie einsteigen. Und zwar in das sogenannte völkische Denken. Menschen werden darin angeblich „natürlichen Lebensräumen“ zugewiesen. Was genau soll das bedeuten?
Florian Teller
Das bedeutet, dass der Mensch geformt wird, dass seine Umwelt, die ihn umgibt, und deswegen auch seinen Charakter formt und auch sein Aussehen. Und da entstanden dann im ausgehenden oder Anfang, Mitte, im ausgehenden 19. Jahrhundert auch Modelle, wo jedem Volk, jeder Nation eine bestimmte Umwelt zugeordnet wurden. Die Deutschen sind dann eben das Waldvolk, die Engländer das Parkvolk und die Slawen das Steppenvolk und die Jüdinnen und Juden eben das Wüstenvolk. Und da sehen wir schon, dass die Konstruktion des Eigenen eben nur funktioniert oder in den Modellen funktioniert mit der Abwertung eines Anderen oder eines Fremden.
Florian Teller beschreibt da gerade die Grundlage des völkischen Denkens. In dieser Ideologie besitzt jede Volksgemeinschaft eine Heimat, einen Ort, einen Flecken Erde, an den sie angeblich hingehört. Dort ist sie verwurzelt und geht eine Einheit mit der dortigen Natur ein. Tatsächlich sind völkische Bewegungen am Anfang noch recht unterschiedlich, doch bald setzten sich die nationalistischen Bezüge durch: Jedes Volk habe seine Umwelt und „natürlichen“ Lebensraum. Andere Volksgemeinschaften hätten dort allerdings nichts zu suchen. Und: bestimmte klimatische und geografische Bedingungen würden manche Menschen eben stärker, intelligenter, ausdauernder und dadurch überlegener werden lassen. Klingt rassistisch? Ist es auch. Und diese Ideologie ist auch zutiefst ableistisch – also abwertend gegenüber Kranken oder Menschen mit Behinderungen. Denn in dem Denken gilt das Recht des Stärkeren. Alle Schwachen würden qua “natürlicher Auslese” aus dem Genpool entfernt werden. Und dort, wo von „natürlichen Lebensräumen“ gefaselt wird, wird oft genug Daseinsberechtigung von Menschen abgesprochen. Diese Ideologie wird im Nationalsozialismus wegweisend:
Im völkischen Denken des 19. Jahrhunderts verbinden sich klassischer Rassismus und eine romantische Vorstellung von Natur und Umwelt. Im Nationalsozialismus gehört das völkische Denken dann zum zentralen ideologischen Element. In der sogenannten „Blut-und-Boden“-Ideologie steht das Blut für die „reine“ ethnische Volksgemeinschaft, die sich rassische Merkmale teilen würde. Der Boden steht für die Verwurzelung des Volkes in seinem “natürlichen” Lebensraum. Jede Arbeit mit eben diesem Boden wird glorifiziert: Agrarromantik, also das Idealisieren alles Bäuerlichen ist fester Bestandteil der Nazi-Propaganda. In Filmen und Bildern, der Erziehung, aber auch in Form des jährlichen Erntedankfestes am Bückeberg. Alle aus der Volksgemeinschaft ausgeschlossenen Individuen oder Gruppen gilt es von diesem Boden zu vertreiben. Auch heute noch ist diese Ideologie verbreitet. In der neuen Rechten wird dann anstelle von „Rassen“ von „Kulturen“ gesprochen.
Also völkisches Denken schafft eine vermeintliche natürliche Verbindung zwischen Menschen, einer „Heimat“ und der dortigen Natur. Die gilt als besonders schützenswert – vor allem vor äußeren Einflüssen. Also Fremde und Umweltverschmutzung. Jüdinnen und Juden werden als beides wahrgenommen… als fremd und nicht dazugehörig, und als zerstörerisch. Begeben wir uns mal weiter in die ideologischen Wirren: Jüdinnen und Juden stören das völkische Prinzip nämlich auch aus einem weiteren Grund: Sie werden nicht nur als fremd konstruiert – sie gelten auch als heimatlos, entwurzelt. Und das ist einerseits ein uraltes Motiv des Antisemitismus. Andererseits bezieht es sich auch auf die Tatsache, dass Jüdinnen und Juden wirklich auf der ganzen Welt verstreut leben.
Gideon Botsch
Das hängt mit den Austreibungen zusammen. Die Heimatlosigkeit der Juden ist kaum selbst gewählt, sondern sie hängt damit zusammen, dass Juden vertrieben und verjagt werden oder angefeindet werden. Ein kluger Kopf hat mal gesagt, wenn es nach uns ginge, würden wir immer da bleiben, wo wir sind, weil wir wollen in der Nähe der Gräber unserer Vorfahren sein. die am Judentum nicht aufgelassen werden, sondern für die Ewigkeit bestehen sollen. Aber dem ist nicht so. Wir werden gezwungen, unser Land zu verlassen.
Die Geschichte des jüdischen Exils, Hebräisch Galuth, reicht Jahrtausende zurück. Doch anstatt das Galuth als Resultat von Jahrtausenden andauernder Vertreibung, Verfolgung und natürlicher Migrationsbewegungen zu begreifen, wird es immer wieder als Rechtfertigung für weitere Gewalt herangezogen. Und das schon seit dem Mittelalter:
Die Figur des „Wandernden Juden“ taucht erstmals im 13. Jahrhundert in christlichen Erzählungen auf. Der Kern der Legende besagt, dass Jesus auf dem Weg zur Kreuzigung vom Juden Ahasveros verspottet wurde. Als Strafe wird jener dazu verdammt, rastlos und unsterblich über die Erde zu wandern. Er kann nicht sterben und hat keinen festen Wohnsitz – ein Leben im ewigen Exil. In den christlichen Gesellschaften steht die Figur des „Wandernden Juden“ sinnbildlich für das gesamte Judentum. Dass es durch jahrtausendelange Vertreibung tatsächlich überall auf der Welt jüdische Gemeinschaften gibt, gilt als Beweis für diese Legende. So kann man die Vertreibung und Ausgrenzung der jüdischen Minderheiten legitimieren: Immerhin ist es ja Gottes Strafe. Über die Jahrhunderte transformiert sich diese antisemitische Figur. Mit Etablierung der Rassenideologie und Vorstellungen von „natürlichen Lebensräumen“ von Völkern und Nationen, erhält der „Wandernde Jude“ eine neue Aufladung: Jüdinnen und Juden gelten als heimat- und wurzellos. Sie passen nicht in das nationalistische Weltbild. Im Nationalsozialismus erhält diese alte Legende dann einen neuen Anstrich: Mit dem antisemitischen Propagandafilm „Der ewige Jude“ werden Jüdinnen und Juden als verschwörerische Weltmacht konstruiert. Sie würden die Gesellschaften, in denen sie leben angeblich von innen heraus zerstören.
Gideon Botsch
Daran verbinden sich alle möglichen moderneren, neuzeitlichen Bilder vom Juden als wandernd, unstet, heimatunverbunden, ohne Verbindung zur Heimat, nomadisch, nirgends zu Hause, nirgends verortet, über den Globus streifend. das Bild von wandernden Juden, der nirgends eine Heimat und nirgends "Wurzeln" hat. Im Unterschied zu den verwurzelten Gesellschaften, im Unterschied zu denen, die naturnah leben. Das lässt sich dann in alle möglichen Richtungen ausdeuten, etwa wenn wir sozusagen den Eindruck erwecken, dass die moderne Industrie mit ihrer Umweltverschmutzung, mit dem modernen Kapitalismus zusammenhängt, den wir dann wieder jüdisch apostrophieren können, als jüdisch ausweisen und markieren können.
Aber – ist das nicht alles Schnee von Gestern? Oder können wir auch heutzutage solche antisemitischen Motive – oder sogar solches völkische Denken beobachten? Florian Teller?
Florian Teller
Heutzutage sehen wir das aber auch im Ethnopluralismus der neuen Rechten. Die nennen das anders, aber letztendlich ist das dasselbe. Da wird gesagt, “okay, jedes Volk hat seinen Platz”. Wir konstruieren nicht mehr die Deutschen als überlegenes Volk. Wir sagen, “okay, jedes Volk hat seinen Platz, aber jedes Volk darf eben sich nicht wegbewegen von diesem Platz”. Weil sie verwenden dann dieses Bild von einem Baum, der seine Wurzeln verliert, dem Wurzeln ausgerissen werden. Es gibt ja auch so ein T-Shirt von den Identitären: “Bäume haben Wurzeln, Menschen auch”. Und in deren Ideologie ist es eben so, wenn man seinen angestammten Siedlungsraum verlässt, dann geht man ein. Deswegen darf es keine Migration geben, zum Beispiel, in deren Ideologie.
Damit wird das begründet, mit Rückgriff auf Natürlichkeit.
Doch warum funktionieren so alte Konzepte von Natürlichkeit, von Volk und Boden in einer Welt wie der unsrigen überhaupt noch? In Zeiten des Internets, wo wir uns quasi mit der ganzen Welt verknüpfen können, Essen aus allen Erdteilen genießen und Musik und Filme aus der ganzen Welt konsumieren? Dazu befragen wir erneut Pia Lamberty:
Pia Lamberty
Zum einen ist dann vielleicht so ein, so eine Rückkehr in dieses Natürliche, in das Grundständige, in das Einfache, das sich Menschen dann wünschen und das kann immer wieder auch ne Projektionsfläche sein für so rückschrittliche Gesellschaftsvorstellungen. Also nicht ohne Grund nutzen Rechtsextreme gerade diese Naturthemen für sich, weil die so eine Art Einstiegsdroge sein können. Darüber erreicht man dann Leute, wenn man seine schönen Feste macht, mit wallenden Kleidern oder ein Biohof hat und solche Dinge. Und auch da sind dann Verschwörungserzählungen durchaus relevant, nicht unbedingt immer auf Natur direkt bezogen oder auf dieses Lebens(stil?), aber als Weltbild, das so die politische Ideologie stark beeinflusst. Das sieht man ja auch zum Beispiel, dass in der Esoterik ist eine große Überlappung mit Verschwörungsdenken gibt.
Beispiele für die Verbindung von Bio-Landwirtschaft, Naturverbundenheit, Beispiele für die Verbindung von Bio-Landwirtschaft, Naturverbundenheit, Esoterik aber auch Menschenverachtenden, rechtsextremen Einstellungen gibt es gar nicht so wenige in Deutschland. Oft aber auf den ersten Blick nicht erkennbar. Vielleicht auch, weil wir zu selten die Verbindung ziehen, zwischen Ökologie und menschenverachtendem Weltbild. Eine relevante Gruppe in diesem ganzen Komplex ist die sogenannte Anastasia Bewegung. Ihre Gründung geht zurück auf einen russischen Autor, dessen Werk quasi die ideologische Basis für die gesamte Bewegung bildet. Auch in Deutschland ist die Bewegung aktiv und unterhält im ländlichen Raum mehrere Gemeinden. Doch um was geht es denn genau? Schauen wir uns das mal an.
Wladimir Megres mehrbändiges Werk „Die klingenden Zedern Russlands“ erscheint in den 1990er Jahren. Megre beschreibt darin sein Treffen mit der mystischen Figur „Anastasia“. Sie lebt abgeschieden in der sibirischen Taiga, ist naturverbunden, kann in die Zukunft sehen und ist im Einklang mit dem Kosmos. Anastasia öffnet dem Autor die Augen, in dem sie ihm die Welt zeigt, wie sie - angeblich – wirklich sei. Zentrales Motiv dabei ist ein esoterisches und anti-modernes Weltbild: Medizin, Industrie, Technologie, Bildung und Staat werden als manipulativ und zerstörerisch dargestellt. Auch verschwörungsideologische und antisemitische Motive finden sich schnell: „Geheimen Eliten“ kontrollierten durch Geld, Regierungen und Medien die Welt. Die „Zerstörung der Natur“ sei Teil eines globalen Plans, die Menschen von ihrem Ursprung zu entfremden. Als Gegenwehr fordert Megre in seinem Werk den Aufbau von Selbstversorger-Gemeinschaften, auf denen Menschen im Einklang mit der Natur und spirituellen Prinzipien leben sollen. Ziel sei die Rückbesinnung auf ein „natürliches“ Leben im Einklang mit der Erde.
Florian Teller
wenn wir Anastasia-Anhängerinnen fragen oder wenn viele Anastasia_innen reden, dann sagen sie immer: “Ah, diesen Teil der Bücher, den haben wir gar nicht gelesen“, sondern sie sehen, dass, wie gesagt, nur als Gartenratgeber und es ist aber schwer vorstellbar, weil das relativ präsent ist in diesen Büchern. Und es ist ein Punkt, wo wir sehen, wie sowas angeblich Unpolitisches wie Naturschutz, wie Umweltschutz, wie biologische Landwirtschaft, wie naturnahes Gärtnern, dann eben so antidemokratische und antisemitische Stereotype und Erzählungen mittransportiert und mit, ja, für Verbreitung sorgt eigentlich. Und personell sehen wir auch, dass bei den relevanten Akteuren in der Anastasia-Bewegung, Frank Willy Ludwig zum Beispiel aus Eberswalde, aus der Nähe von Eberswalde, dass sie klare Verbindungen zum organisierten Rechtsextremismus haben, also zu Reichsbürgern, zu neurechten Akteuren, zu klassischen Neonazis. Also es funktioniert, gibt es diese Verbindung nicht nur auf der ideologischen Ebene, sondern eben auch auf der personellen Ebene.
Wir wollen uns trotzdem noch mal Verschwörungserzählungen widmen. Denn nicht immer sind es Weltraumlaser die angeblich für Waldbrände verantwortlich seien. Generell lässt sich feststellen, dass wir es beim Oberthema Natur mit drei großen Themenbereichen zu tun haben, zu denen wir antisemitische Verschwörungserzählungen finden: Naturkatastrophen, Naturschutz, aber eben auch: Klimawandel. Wie kann so etwas aussehen, Florian Teller?
Florian Teller
Ganz relevante Verschwörungserzählungen sehen wir im Bereich Klimawandelleugnung. Klimawandelleugnung funktioniert nicht ohne Verschwörungserzählungen. Zum einen wird behauptet, Wissenschaftler*innen, die den menschengemachten Klimawandel anzweifeln, könnten nicht frei sprechen, würden unterdrückt werden. Bestimmte Forschungsergebnisse würden zurückgehalten werden, da so ein bisschen unklar: Wer hält die zurück? Ist das ist dann eine geheime Macht, die dahinter steht? Und dann sind wir bei der nächsten Verschwörungserzählung. Das ist nämlich eine bestimmte Einflussgruppe, eine Gruppe mächtiger Handelnder, eine große Macht gibt, die im Hintergrund die Fäden zieht und dann eben mit Hilfe von Klimaschutzmaßnahmen versucht, die Geschicke zu lenken oder je nachdem, das finden wir in verschiedenen rechten oder auch rechtskonservativen Zeitungen, gesagt wird: Mit Hilfe dieser Klimaschutzmaßnahmen wird eben der Ökosozialismus, der Kommunismus, die Ökodiktatur eingeführt werden. Diese Gruppe wird nicht so oft klar benannt, manchmal aber schon. Es wird dann eben gesagt, dass Soros’ Stiftung die Klimaschutzbewegung finanzieren würde und da sind wir bei einer klassischen antisemitischen Verschwörungserzählung, dass jüdische Strippenzieher die Geschicke der Welt lenken.
George Soros, der jüdische Philantrop… der kommt ja in allerhand Verschwörungserzählungen vor. Jetzt ist er also nicht nur für Migration, Terror und politische Destabilisierung verantwortlich, sondern auch für eine grüne Ökodiktatur. Diese oder ähnliche Verschwörungserzählungen laufen immer gleich ab: Jüdinnen und Juden würden also die „Klimawandellüge“ durchsetzen, um ihre Weltherrschaft zu etablieren. Heißt das, dass wir antisemitische Verschwörungserzählungen zu diesen Themen vor allem unter Klimawandelleugner:innen finden? Nein! so viel können wir schon vorwegnehmen. Auch im Klimaschutz können wir antisemitische Verschwörungserzählungen identifizieren. Und dort lassen sich auch Verbindungen in die rechte Szene feststellen:
Florian Teller
Zum Beispiel bei der neonazistischen Kleinstpartei “Der Dritte Weg”, die auch sich für Umwelt- und Naturschutz engagieren. Zum Beispiel sind sie gegen Tagebaue, sie sind für den Erhalt des Waldes, aber sie sind eben auch für eine Regionalisierung der Wirtschaft. Sie sprechen sich gegen Globalisierung aus und dort finden wir ganz klassische antisemitische Motive. “Wir müssen das Regionale stärken, wir sind gegen internationale Konzerne” und das meint eigentlich dann “die internationale Hochfinanz” oder “das Finanzjudentum”. Also auch wieder sozusagen so eine Verschwörungserzählung, dass eben finanzstarke jüdische Kräfte die Geschicke der Welt leiten würden, die Banken unter ihren Fittichen haben. Also wirklich sehr klassische Motive.
Jüdinnen und Juden können also wieder einmal beides sein: Umweltzerstörer oder eben die, die Umweltzerstörung erfinden, um ihre Ziele zu erreichen. Sie stecken hinter dem Klimawandel, aber auch hinter dem Naturschutz. Im Zweifel hat man immer einen Sündenbock. Wir kommen langsam zum Schluss unserer Episode zum Thema Natur. Wir wollen von unseren Expert:innen trotzdem noch wissen: Was kann man im Umgang damit tun? Sagen wir im Fall einer Umweltkatastrophe? Pia Lamberty, wie wappnen wir uns gegen Verschwörungserzählungen?
Pia Lamberty
Was ja auch oft passiert bei Katastrophen ist, dass ist eine Kritik an dem Regierungshandeln gibt vor Ort, das eben nicht genug gemacht wurde, um die Katastrophe zu verhindern und dieser politische Frust, also dieser häufig auch sehr legitime politische Frust, wird dann wieder von antidemokratischen Akteuren hier aufgenommen und weiter gepusht und instrumentalisiert. Das sieht man an sehr, sehr vielen Stellen. Ich finde es wichtig, das immer auch mitzudenken. Naturkatastrophen werden zunehmen, wir sind in einer politisch instabileren Welt und dementsprechend sollte man das immer auch mit im Blick haben, weil das natürlich Konsequenzen hat, wenn in einer Katastrophe Falschinformationen gestreut werden, kann das zu Panik vor Ort führen, es kann die Hilfskräfte nochmal einschränken in ihrer Arbeit, es kann zu einem langfristigen Vertrauensverlust vor Ort kommen, also das kann schon wirklich gefährliche Konsequenzen haben das sollte man nicht unterschätzen
Und im Falle des Umweltschutzes? Wie schaffen wir es die so oft versteckten völkischen Bezüge aus unserem Engagement herauszuhalten? Florian Teller?
Florian Teller
Auf einer individuellen Ebene würde ich immer sagen, wenn ihr euch für Natur, Umwelt oder Klimaschutz einsetzt, dann schaut: Ist der Natur- und Umweltschutz, wo ich hinmöchte, ist der inklusiv, ist der für alle da, ist das ein Umweltschutz für alle, ist das ein Klimaschutz für alle? Oder ist der wie bei rechter Ideologie eben nur ein Umweltschutz für eine kleine Gruppe? Und auf einer verbandlichen oder institutionellen Ebene würde ich sagen, ein guter Anfang wäre, sich erst einmal so eine Art Selbstverständnis zu geben, zu sagen: “Okay, wofür stehen wir? Was sind unsere demokratischen Werte? Wie sieht unser Natur- und Umweltschutz aus? Was ist quasi das demokratische Element? Was ist das inklusive Element in diesem Natur- und Umweltschutz?” Damit verhindert man schon oder kann verhindern, dass sich Rechte überhaupt für meinen Verband interessieren. Damit hätte ich schon mal eine große offene Flanke nach rechts geschlossen. Weil das Problem ist, dass Natur- und Umweltschutz immer noch als eher unpolitische Themen gesehen werden. Also gesagt wird, “okay, ich engagiere mich für Vögel, für den Schutz von Vögeln und alle, die sich auch für den Schutz von Vögeln engagieren, die sollen damit machen”. Und da wird oft vernachlässig das Rechte Natur- und Umweltschutz-Themen auch einerseits als Überzeugung, andererseits aber auch als Vehikel benutzen, um ihre rechten Ideologien verbreiten zu können. Und wenn ich von vornherein klar mache, sozusagen, wie sieht das aus, wie sieht dieser inklusive Umweltschutz aus, dann werde ich schon unattraktiv für Rechte.
Wir sind beim Schluss angekommen. Fassen wir also noch mal zusammen:
Erstens: Das antisemitische Denken ist im Kern eine antimoderne Weltanschauung. Jüdinnen und Juden stehen für alle Auswüchse der Moderne, für das Abstrakte, Zerstörerische, Unlebendige, dass im Gegensatz zur Natur steht. sowohl rechte als auch esoterische Bewegungen haben diese Motive adaptiert.
Zweitens: Auf den ersten Blick erscheinen Naturschutz oder Biolandwirtschaft als harmlos, aber das Thema Natur ist oftmals ideologisch aufgeladen. Beim sogenannten völkischen Denken geht es um angeblich “natürliche Lebensräume” und die Daseinsberechtigungen von Menschen. Wir müssen also aufmerksam sein, denn manchmal entpuppt sich das grüne naturliebende, doch als braunes, völkisches Denken.
Drittens: Nicht nur beim Thema Naturschutz, auch beim Thema Klimawandelleugnung finden wir antisemitische Verschwörungserzählungen. Und da Krisenzeiten nun mal Konjunkturzeiten für Verschwörungserzählungen sind gilt immer: In Zeiten von Umweltkatastrophen müssen wir besonders wachsam sein.Dars wars von der heutigen Episode von verdächtig mächtig. Bis zum nächsten mal.