Über Judenfeindschaft und Verschwörungsdenken

Special

Ein Gespräch über Monitoring und Beratung

Wo hinwenden, wenn Verschwörungsideologen einen bedrohen? Was tun, wenn man Zeug*in von antisemitischen Verschwörungserzählungen wird? In unserem Special beleuchten wir die Arbeit von zwei wichtigen Akteuren im Feld. Ruth Hatlapa von der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin (RIAS-Berlin) und Mathias Wörsching von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) geben Einblicke in ihre Beratungs-, Analyse- und Monitoring-Arbeit. Ein Gespräch über aktuelle Tendenzen, politische Verantwortung und zivilgesellschaftliches Engagement.

 

Mathias Wörsching…

…ist Historiker und Politologe. Seit 2012 berät und schult er bei der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR) unterschiedlichste Personen, Organisationen und Institutionen zum Umgang mit Rechtsextremismus, Rechtspopulismus, Rassismus, Antisemitismus und Verschwörungsideologie. Er hat insbesondere zur Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus und Rechtspopulismus in der Berliner Landes- und Bezirkspolitik sowie zu Antisemitismus in all seinen Facetten gearbeitet. Regionale Schwerpunkte seiner Arbeit sind die Bezirke Treptow-Köpenick und Marzahn-Hellersdorf.

 

Ruth Hatlapa…

…ist Kulturwissenschaftlerin und Historikerin. Sie forscht unter anderem zu transatlantischen Beziehungen und Antiamerikanismus. Außerdem arbeitete sie mehrere Jahre in der politischen Bildungsarbeit zu Rassismus und Antisemitismus. Seit 2022 arbeitet sie bei der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin (RIAS). Von ihr erschienen ist “Unser Obama - Europäische Identitätskonstruktionen in der Berichterstattung über US-Wahlen” (2021)."

Weiterführende Informationen

Hier geht es zur Website der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin (RIAS) → LINK

 

Hier geht es zur Website der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR)→ LINK

 

Hier geht es zum Beratungskompass Verschwörungsdenken → LINK

 

Script zur Episode

Script  

„Verdächtig Mächtig“ - Ein Podcast über Judenfeindschaft und Verschwörungsdenken. Was kennzeichnet Verschwörungsmythen? Warum spielen Fantasien über Jüdinnen und Juden dabei oft eine zentrale Rolle? Und wie kann man dem entgegenwirken? Gemeinsam mit unseren Gästen suchen wir nach Antworten. Ein Projekt von Bildung in Widerspruch e.V.. Gefördert im Rahmen des Berliner Landesprogramms Demokratie, Vielfalt, Respekt, gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus, der Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung.  

 

Wer bist du und was hast du mit dem Thema antisemitische Verschwörungserzählungen zu tun? 

 

Mathias Wörsching 

Ich bin Matthias Wörsching, Mitarbeiter der mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin MBR und wir arbeiten nicht nur zu Rechtsextremismus, sondern auch zu Rassismus, Antisemitismus und Verschwörungsideologie.Die MBR ist beim Trägerverein für demokratische Kultur in Berlin angedockt. Das ist eine unabhängige zivilgesellschaftliche Organisation. Wir werden zum allergrößten Teil schon seit langer Zeit, seitdem es uns gibt, seit 2021, seit 2001 aus Mitteln des Landes Berlin gefördert. Es gibt bei unserem Träger noch andere Projekte, Schwesterprojekte von uns, wie zum Beispiel die Recherche und Informationsstelle Antisemitismus "RIAS Berlin". Wir unterstützen alle Personen, Institutionen, Organisationen aus Berlin mit Beratung und Vorbildungen, die in irgendeiner Weise mit Verschwörungserzählungen zu tun haben und sich im Sinne von Demokratie und Menschenrechten damit auseinandersetzen wollen, dagegen irgendwie aktiv werden wollen. Und ja, wir arbeiten nachfrageorientiert, also die Menschen müssen zu uns kommen und uns einladen und anfragen. Wenn es sich um Berlinerinnen und Berliner handelt, dann müssen sie in der Regel auch nichts bezahlen für unsere Dienste, [...] Speziell zu Verschwörungserzählungen, an diesen mythischen Verschwörungserzählungen ist es so, dass sich da viele Menschen an uns wenden, die in privaten Kontexten damit konfrontiert sind, in Familie, Nachbarschaft, Bekanntenkreis, die sich Unterstützung wünschen. Es gibt aber auch sehr, sehr viele, die es im professionellen Kontext erleben, weil sie in irgendeiner Weise mit Menschen befasst sind. Ganz oft Menschen aus der sozialen Arbeit oder auch Lehrkräfte, Bildungs- und Erziehungswesen, Gesundheitswesen. Im weitesten Sinne alle Menschen, die irgendwie mit Menschen zu tun haben und dann in der Gesellschaft eben auch auf Antisemitismus und Verschwörungsideologie treffen. Das sind so die, aus diesem Bereich kommen so die meisten Fragen und Probleme, mit denen die Leute dann zu uns kommen.  

 

Und wer bist du und was hast du mit dem Thema antisemitische Verschwörungserzählungen zu tun? 

 

Ruth Hatlapa 

Also ich bin Ruth Hatlapa, ich bin jetzt seit drei Jahren Projektreferentin bei Rias Berlin, bei der Recherche und Informationsstelle Antisemitismus Berlin. Wir sind eine Meldestelle für antisemitische Vorfälle, das heißt Personen, die Antisemitismus erleben oder beobachten, die können sich dann an uns wenden. Wir dokumentieren die Vorfälle dann und versuchen auch, je nach der Art des Erlebens sozusagen und des Vorfalls, für die Betroffenen dann eben passende Unterstützungsangebote zu finden und sie dann auch direkt dorthin weiter zu übermitteln, damit die Hürde sozusagen sich an Unterstützung zu holen möglichst gering ist. Da ist die MBR ja auch einer unserer wichtigsten Partner*innen. Und was ich mit dem Thema antisemitische Verschwörungserzählungen zu tun habe, also antisemitische Verschwörungsmythen sind ja ein zentraler Bestandteil des Antisemitismus, insbesondere der Erscheinungsform des modernen Antisemitismus. Also dieses Bild insbesondere, dass Jüdinnen und Juden eben über eine geheime Macht verfügen, dass sie besondere ökonomische Macht haben, besondere politische Macht haben, das ist einfach auch in der Gegenwart immer noch ein sehr verbreitetes Phänomen, ist auch jetzt nur eine Variante. Es gibt auch noch verschiedene andere Verschwörungsmythen, die sich sozusagen im Antisemitismus finden. Und wenn die Vorfälle bei uns gemeldet werden, dann orten wir sie immer inhaltlich ein und in dem Zuge identifizieren wir natürlich auch immer wieder antisemitische Verschwörungsmythen oder auch Teile davon. Also es ist nicht immer ein ausformuliertes, verschwörungsideologisches Weltbild, was in einem Vorfall dann sichtbar wird, sondern oftmals eben einzelne Versatzstücke, wie jetzt das Bild, dass die Juden reich sind alle oder ähnliches, was sich natürlich aber eben in diese größere Idee, dass Jüdinnen und Juden die Wirtschaft, die Hochfinanz oder ähnliches kontrollieren, daran auch anschließt.  

 

Wie nehmen Juden antisemitische Verschwörungserzählungen wahr? 

 

Ruth Hatlapa 

Ich würde das jetzt mal sozusagen in der Richtung beantworten, in welchen Situationen Jüdinnen und Juden mit antisemitischen Verschwörungsmythen eben konfrontiert sind, jenseits sozusagen dessen, dem Gesamtwissen natürlich darüber, dass es diese Verschwörungsmythen gibt und dass sie kursieren und wie sie immer wieder aktualisiert werden. Es ist aber eben tatsächlich so, dass Juden in Berlin auch immer wieder in Alltagssituationen mit Verschwörungsmythen konfrontiert sind, also dass tatsächlich sie darauf angesprochen werden oder sie auch sozusagen in dem Sinne adressiert werden. Und das muss man sich sozusagen dann tatsächlich wie in sehr spontanen, sehr spontane Situationen vorstellen. Also zum Beispiel haben wir eine Meldung erhalten von einer Person, die eben in einem Supermarkt war und sie trug eine Davidstern-Kette und hatte auch noch einen Beutel mit einem Davidstern drauf und dann hat sie bemerkt, wie sie eben von einem anderen Kunden in dem Laden etwas komisch beäugt wurde und dann sagte der eben, es war im Zuge noch der Covid-19-Pandemie, guckte der eben zu einer seiner Begleitung und sagte, die waren das mit dem Virus. Und das ist natürlich eine extremst verstörende und frappierende Begegnung, wenn man eigentlich gerade nur einkaufen geht und dann dort einer Person begegnet, die in dem Moment glaubt oder artikuliert, dass man selbst wegen der jüdischen Identität mit dazu beigetragen hat, diese Pandemie in die Welt zu bringen. Genau, und das sind natürlich einfach extremst irritierende Erlebnisse. Das kann auch eine bedrohliche Note bekommen. Zum Beispiel berichten Leute auch manchmal von Taxifahrten, wo dann im Gespräch die Taxifahrer zum Beispiel plötzlich sich in einer Weise äußern, dass sie darüber formulieren, wie einflussreich Jüdinnen und Juden in Berlin sind und dass es ihnen nur um Macht und Geld gehe und gerade mit dem Wissen um die Bedeutung von Verschwörungsmythen bei der Verfolgung von Jüdinnen und Juden und dem Wissen, dass das eben auch Gewalt legitimiert, kann so eine Situation ja schnell sehr bedrohlich sein. Man ist dann mit der Person auf engem Raum, in einem Taxi zum Beispiel, und es ist ja völlig unberechenbar, wie sich die Situation dann weiterentwickelt. Und das sind eben einfach Situationen, die die Jüdinnen und Juden erleben [...]Und dann aber eben auch diese, was ich schon erwähnt habe, eben diese Bilder des modernen Antisemitismus, kontrollieren die Regierungen, haben viel Geld, kontrollieren die Presse. Das sind dann einfach alles immer wieder Bilder, wo man in alltäglichen Situationen oft plötzlich und unvermittelt und manchmal auch im Bekanntenkreis mit solchen Äußerungen konfrontiert sind, direkt dann auch als jüdische Person angesprochen. Manchmal ist die jüdische Identität nicht bekannt und man hört es einfach mit. Das sind aber natürlich einfach sehr verunsichernde und eben wie gesagt mitunter auch bedrohliche Erfahrungen.  

 

 

Welche wichtigen verschwörungsideologischen Akteure gibt es zurzeit? Und sind sie auch antisemitisch? 

 

 

(im Podcast): Welche Rolle spielt Antisemitismus in Verschwörungsideologien und wie äußert sich das bei den verschwörungsideologischen Akteuren?  

 

Mathias Wörsching 

Ruth hat jetzt schon gesagt, Verschwörungsideologie ist ein zentraler Bestandteil des modernen Antisemitismus. Also kann man wahrscheinlich ungefähr sagen, alle wesentlichen antisemitischen Akteure in einem bestimmten Maße verschwörungsideologisch geprägt, auch wenn dieses Element vielleicht nicht bei allen die gleiche Rolle spielt oder nicht gleichermaßen zentral ist, aber das wird sich da, denke ich, sehr weitgehend finden. Umgekehrt ist es so, dass diese Verschwörungsideologie generell so eine Art Strukturähnlichkeit mit dem modernen Antisemitismus aufweist. Es geht ja immer darum, sich vorzustellen, dass alle wesentlichen geschichtlichen, gesellschaftlichen Vorgänge in der modernen Welt von einer geheimen Hintergrundmacht irgendwie gesteuert wird. Eine Hintergrundmacht, die in böser Absicht unterwegs ist und die auch eine Bedrohung darstellt. Und es ist jederzeit sofort möglich, umstandslos möglich, diese Vorstellung mit antisemitischem Gehalt aufzuladen, indem man jüdische Personen, Gruppen, Institutionen - man müsste eigentlich sagen wirklich oder vermeintlich jüdische Personen und Institutionen, weil das stimmt nicht immer überein, mit dieser Verschwörungsvorstellung in Verbindung bringt. Wegen der noch, möchte man sagen, weitgehenden gesellschaftlichen Ächtung von offenem Antisemitismus bedienen sich aber sehr viele verschwörungsideologische und antisemitische Akteure einer kodierten Kommunikation. Also diese Schuldzuweisungen an jüdische Personen und Gruppen oder auch an ein abstraktes jüdisches Prinzip, das jüdische an sich, wenn man so will, oder das Judentum an sich, die wird häufig verschlüsselt. Da werden dann etwa in weiten Teilen der Extremrechten solche Codewörter wie "die Globalisten" oder "die Plutokratie" verwendet, oder was auch schon anklang, eben bei Ruth auch das Wort "Hochfinanz" etwa. Das wären so klassische Codes für antisemitische Vorstellung, dann kann man aber den meisten Menschen auch nicht in den Kopf schauen und manchmal kann man nicht mit letzter Sicherheit sagen, ob jetzt eine anti-jüdische Vorstellung im Hintergrund steht oder also die dann kodiert ausgedrückt wird oder ob diese Vorstellung von einer geheimen Hintergrundmacht oder einer geheimen Machtgruppe nicht tatsächlich als nicht-jüdisch gedacht wird. Da kann man häufig keine letzte Sicherheit gewinnen. Klar ist aber, dass solche kodierte Kommunikationen auch immer antisemitisch verstanden werden können. Also wenn Personen, auch wenn politische Szenen oder Spektren, gewissermaßen über dieses antisemitische vermeintliche Wissen verfügen, dann werden sie entsprechende Kodwörter auch deuten. Also es ist sogar in dem Sinne möglich, dass eine Äußerung antisemitisch verstanden wird antisemitisch wirkt, ohne dass die Person, die die Äußerung tätigt, das jetzt so unbedingt wollte oder selbst beabsichtigt hat. Weil das in dem Sinne Antisemitismus eigentlich in das moderne Massenbewusstsein in den Diskurs eingeschrieben ist. Ja,  

 

Ruth Hatlapa 

vielleicht kann ich da einfach kurz ergänzen, um auch von unserer Dokumentationspraxis kurz zu erzählen, dass wir bei Rias natürlich auch diese ganzen strukturellen Ähnlichkeiten sehen und wissen, dass wenn zum Beispiel Personen jetzt gegen die globalen Eliten hetzen oder ähnliches, da sehen wir natürlich ganz eindeutig diese Anschlussfähigkeit an antisemitische Bilder. Wir nehmen es aber tatsächlich als antisemitischen Vorfall bei uns nur auf, wenn diese antisemitische Wendung dann auch explizit gemacht wird. Also wenn dann eben nicht mehr nur von abstrakten politischen Eliten gesprochen wird, sondern wenn dann tatsächlich George Soros, Rothschild, also die ganzen Personen, die quasi symbolhaft als Jüdinnen und Juden für diese Eliten stehen, dann nehmen wir es erst auf. Aber wir sehen natürlich völlig die Anschlussfähigkeit von diesen ganzen Bildern und wir wissen, dass das mit einem Fingerschnipsen. Es ist ja auch kein Zufall, dass zum Beispiel, wenn jetzt auch Bill Gates, der jetzt nun nicht, er ist halt nicht jüdisch, er wird aber oft so gelesen. Also viele Leute denken, er wäre jüdisch, weil er so eine zentrale Rolle auch in bestimmten Verschwörungsmythen spielt, weil er dann eben so adressiert wird. Genau, und damit wir es jetzt wiederum als Vorfall dokumentieren, ist diese tatsächliche ein Bezug auf Jüdinnen und Juden, auf jüdische Macht, auf jüdische Symbole. Das brauchen wir sozusagen als explizites Moment für die Erfassung, aber wie gesagt, die Anschlussfähigkeit ist in jedem Fall gegeben bei diesen ganzen strukturellen Bildern und in den Chiffren, in den Codes, die du gerade erwähnt hast. Genau, deswegen beobachten wir das natürlich auch die gesamten Diskurse, die sich in dieser ähnlichen Struktur bewegen.  

 

Mathias Wörsching 

Jetzt haben wir länger über das Verhältnis von Antisemitismus und Verschwörungsideologie geredet. Die eigentliche Frage war aber, welche wichtigen verschwörungsideologischen Akteure gibt es zurzeit?  

Nach der sozialwissenschaftlichen Einstellungsforschung ist ein großer Teil der Gesellschaft verschwörungsideologisch geprägt. Ich glaube, der Berlin Monitor hat eine Offenheit oder Nähe zu Verschwörungsideologie bei nicht weniger als ungefähr einem Drittel der Befragten, also ungefähr der Berliner Bevölkerung, festgestellt. Demzufolge ist Verschwörungsideologie quer durch alle politischen Spektren zu finden, auch in der sogenannten politischen Mitte, aber natürlich auch in unterschiedlichen linken Strömungen, in der extremen Rechten sowieso, in religiösen, religiös-fundamentalistischen Spektren das Gleiche. Ruth, du hattest vorhin auch schon angesprochen, dass der israelbezogene Antisemitismus verschwörungsideologisch daherkommen kann. Also wenn es etwa heißt Israel oder eine jüdische Lobby würde, die deutsche Politik in Bezug auf Israel, deutsche Außenpolitik kontrollieren und steuern. Und trotzdem kann man aber sagen, es gibt auch politische Gruppierungen und Akteure, wo die Verschwörungsideologie ganz zentral ist, wo es wirklich so zum Profil gehört und in der Agitation, der ganzen Selbstinszenierung eine Hauptrolle spielt und denke mal die Frage zielt auch auf diese ab und meint dieses mit den wichtigen verschwörungsideologischen Akteuren und da haben wir ja den Umstand jetzt für unser Gespräch heute sozusagen glücklichen Umstand, dass gerade am letzten Samstag dieses verschwörungsideologische Spektrum mehr oder weniger zusammen und vollständig auf der Straße war, bei einer großen "Kundgebung und Demo in Berlin-Mitte" unter dem Motto "Deutschland steht auf". Und dort konnte man die wichtigen Protagonistinnen und Protagonisten der extremen Rechten sehen, die halt verschwörungsideologische Elemente, Verschwörungserzählungen sehr zentral in ihrer Rhetorik immer wieder haben. Da sind diejenigen etwa, die unter dem Label demokratischer Widerstand agieren, und die seit Beginn der Corona-Proteste in Berlin eine zentrale Rolle gespielt haben. Und wie man nicht erst am letzten Samstag sehen konnte, sind sie mittlerweile völlig offen und völlig komplett im Bündnis mit den extremen Rechten. Klar zu extremen Rechten gehört natürlich der Publizist Jürgen Elsässer mit seinem "Compact"-Magazin. Der in diesem Magazin und in Elsässers politischen Wirkungsverschwung auch zentral ist. auch der hat viel mit dem versucht mit dem Thema Corona zu arbeiten, aber auch mit allen möglichen anderen Themen. Und dann haben wir in Berlin immer noch aktive Gruppen aus diesem Corona-Protest-Spektrum, die etwa die Berliner Bundesverband der Partei Die Basis, also ausdrücklich aus diesem Spektrum entstanden, oder auch Gruppen, die sich unter so einem Namen wie "Eltern stehen auf" gefunden haben während der Corona-Proteste. Freedom Parade mit dem zentralen Protagonisten Michael Bründel, der sich selbst “Captain Future” nennt und so verkleidet und so immer wieder in der Öffentlichkeit auftritt. Also Bründel, der alle möglichen Verschwörungserzählungen reichwertenstark vertritt und schon lange offen auch mit der Extremrechten paktiert zur Wahl der AfD aufgerufen hat. Viele, nicht alle dieser Gruppierungen sind zusammengeschlossen in einem Verbund, der nennt sich Bündnis für Frieden. Zudem noch gleich nochmal später, da ist dieser Bründel auch eine ziemlich zentrale Figur. Das ist, glaube ich, das politische Feld, wo Verschwörungsideologie am auffälligsten ist. Also bestimmte Teile der extremen Rechten bis hin zu namhaften AfD-Politikern und dieser Gruppierung aus dem Spektrum der Corona-Proteste.  

 

Ruth Hatlapa 

Ja, da kann ich dir einfach erstmal nur zustimmen. Also vielleicht auch bei uns, wir versuchen ja Vorfälle auch verschiedenen politisch-weltanschaulichen Spektren zuzuordnen. Und da haben wir auch das verschwörungsideologische Spektrum. Da gehört jetzt aber nicht jede Person dazu, die an irgendeine Verschwörungsideologie glaubt, sondern eben dann, wenn das verschwörungsideologische Weltbild eben wirklich der zentrale Bezugspunkt ist. Also wenn das jetzt nicht die Verschwörungsideologie quasi in ein größeres rechtsextremes Weltbild zum Beispiel eingeordnet ist oder auch ein linkes, sondern wenn das wirklich der zentrale Bezugspunkt ist, das verschwörungsideologische Denken, in dem Spektrum sind die Verschwörungsmythen dann auch oft austauschbar. Also das wäre jetzt dann gar nicht ungewöhnlich, dass man heute sozusagen an die eine Verschwörung und morgen an die nächste glaubt, weil dieser Gesamtbezug quasi, also dass dieses, ja, das gesamte Weltbild eben mit Bezug auf so eine Verschwörungsthematik zu sehen, da eben ausschlaggebend ist. Und was man dabei eben sehen konnte, gerade im Zuge der Corona-Proteste, dass die Grenzen zwischen den Spektren aber durchaus auch oft ein bisschen fließend sind. Also gerade die Präsenz von auch rechtsextremen oder rechtspopulistischen Akteuren in diesen Protestzügen und auch diese gesamte sogenannte Querdenker-Bewegung. Da waren ja quasi sozusagen eigentlich verschiedenste politische Gruppierungen, Personen, auch Menschen, die sich vielleicht gar nicht sozusagen selber irgendeiner Weise als politisch betrachten, die sich dann unter diesem großen Dach versammeln.  

 

Mathias Wörsching 

Ja, Querdenken muss unbedingt auch genannt werden. Das ist ja auch immer noch als überregionale Struktur da bundesweit, auch in Berlin. Es gibt auch noch so Gruppierungen, die so subkutan wirken, die immer mal wieder so aufploppen. Menschen, die durchaus zu extremen Rechten zählen, die aber so ein christlich-fundamentalistisches Weltbild haben, wo dann klar antisemitische Verschwörungserzählungen eine Rolle spielen, die aber auch dann häufig mit religiösen Begriffen wie Satanismus zum Beispiel operieren. Und auch diese Reichsbürger als eine Fraktion im Rechtsextremismus, begriffen, zu denen könnte man ein eigenes Gespräch machen und im Spektrum zu denen könnte man einen eigenen Podcast machen, auch das sehr stark verschwörungsideologisch geprägt. Aber in Berlin zurzeit würde ich sagen, beide Bereiche nicht so ganz klar in Gruppierungen fassbar, wo so einzelne Elemente, Erzählungen und Personen immer wieder auffällig werden.  

 

Vielleicht zur nächsten Frage. Welches Gefahrenpotenzial geht von den Akteuren aus? 

 

Mathias Wörsching 

 Also fange vielleicht an einer Stelle an, die man vielleicht nicht sofort präsent ist, wenn über dieses Thema gesprochen wird. Das ist eine Gefahr, die die Anhänger*innen von Verschwörungserzählungen sich selber, in den Fallen, die sie sich selber begeben, sich selber aussetzen. Das ist also durchaus möglich, durch Verschwörungserzählungen in eine Traumwelt oder Scheinwelt oder Warenwelt abzudriften und wirklich ganz schwere persönliche Probleme zu bekommen. Es gibt Menschen, für die ist das so eine Art Strohhalm, an den sie sich klammern oder eine Stütze bei wirklich schweren individuellen Krisen, die sie erleben. Es kann dazu führen, dass sie halt vollkommen unfähig werden, ihre Probleme einigermaßen einheimisch wahrzunehmen und zu beurteilen, dass sie in Schuldenfalle geraten, dass sie in Konflikte mit dem Staat kommen, im Gefängnis landen. Es kann zu schweren Krisen in persönlichen Beziehungen und Familien führen. Es kann bei Kindern aus solchen Familienkontexten, wo ein Elternteil oder beide Elternteile stark verschwörungsideologisch geprägt sind, und richtig zur Kindeswohlgefährdung werden. Wenn dann Menschen anfangen, ihre Kinder zu isolieren, nicht mehr zur Schule zu schicken, um sie vor vermeintlichen Gefahren durch die Weltverschwörung zu schützen. Da gibt es ein breites Spektrum an Gefahren und manchmal auch mit so Grenzbereichen zur Psychopathologie, die da auch eine Rolle spielen. das Element in Verschwörungs-Dullis sich verfolgt zu wähnen, überall Verfolgung zu wittern. Da gibt es häufig auch, nicht immer, aber häufig auch so in Linke zugestimmten geistig-seelischen Krankheitsbildern. Dann haben wir ja nun viel geredet über die Rolle von antisemitischen Verschwörungserzählungen in Extremrechten und anderen politischen Kontexten. Diese Erzählungen eine hochgradig manipulative und mobilisierende Wirkung. Es geht immer um eine existenzielle Bedrohung für Leib und Leben, aber auch für die Gemeinschaft, die Gruppe, also klassischerweise im extrem rechten Kontext die weiße deutsche Nation, die also wirklich von bösen Mächten mit dem Tod bedroht wird. Und hieraus wird nicht nur die Rechtfertigung, sondern auch die Notwendigkeit und die Ermächtigung abgeleitet, jetzt ganz scharfe, schärfste Maßnahmen bis hin zu terroristischen Akten zu begehen oder Maßnahmen zu ergreifen. Das heißt, Verschwörungserzählungen spielen auch immer wieder in der Vorgeschichte, Fallgeschichte von rechtsextremen Gewalttaten und rechtsterroristischen Akten eine Rolle. Also ein sehr bekanntes Beispiel der Halle-Mörder von 2019, der auch in seiner Selbstinszenierung, Selbstbezichtigung ja so eine Weltverschwörungserzählung, eine antisemitische Weltverschwörungserzählung mit rassistischen und antifeministischen Beiklängen präsentierte. Aber das findet man dann sozusagen auch in geringerer Härte und Intensitätsgraden an ganz vielen anderen Stellen. Also wir hatten auch in Berlin schon Täter, die dann getrieben vom Verschwörungsglauben Schmierereien, Sachbeschädigungen, Brandstiftungen begangen haben. Also in den letzten Jahren ließen sich da so einige Beispiele finden, wo Verschwörungsideologien eine große Rolle spielte bei der Mobilisierung und Radikalisierung von solchen Gewalttätern. 

 

 

Ruth Hatlapa 

Also ich würde auch sagen, dass das Gefahrenpotenzial vor allem eben in dieser legitimierenden Funktion liegt und es ist ja sozusagen ein Muster eines Verschwörungsmythos, einerseits sozusagen eben eine Welterklärung anzubieten, die zum Beispiel gesellschaftliche oder persönliche Krisen erklärbar oder verständlich stehbar machen und in dem Moment, wo sie dann zum Beispiel antisemitisch gewendet werden und dann Jüdinnen und Juden als die Schuldigen hinter dem, was man vielleicht selber als negativ erlebt oder gesellschaftlich als negative Entwicklung betrachtet wird. In dem Moment, wo Jüdinnen und Juden als diejenigen identifiziert werden, die das zu verantworten haben, gibt es plötzlich ein Gesicht und eine Person oder mehrere Personen, die aktiv bekämpft werden können im Gegensatz jetzt zum Beispiel den gesellschaftlichen Strukturen, denen sich Personen vielleicht ohnmächtig gegenübersehen. Und gerade wie du es auch beschrieben hast, weil das eben oft als so eine existenzielle Bedrohung auch gesehen wird und ein Überlebenskampf quasi, lässt sich darüber dann eben auch tatsächlich Gewalt, Vernichtungsfantasien und Drohungen innerhalb dieses Verschwörungsdenkens dann eben auch legitimieren. 

 

Was tun, wenn man von Verschwörungsideologen bedroht wird? 

 

Mathias Wörsching 

Ja, also wenn das in einer ganz konkreten Situation passiert, würden wir grundsätzlich immer empfehlen, die Situation so schnell wie möglich zu verlassen, sich nicht auf Wortwechsel oder irgendwelche Streitigkeiten einzulassen, wenn überhaupt nur sehr knapp formal zu reagieren, keinesfalls in irgendwelche Wortgefechte sich zu begeben und sich auch schnell Hilfe zu holen, möglicherweise danach ein Gedächtnisprotokoll des Vorfalls zu schreiben und mit Beratern von nahestehenden Personen, möglicherweise auch von Fachstellen wie Opferberatungsstellen oder auch anderen Beratungsstellen nachzudenken, ob weitere Schritte ratsam erscheinen oder notwendig sind. Vermutlich zieht die Frage aber eher auf noch mal kontinuierlichere, länger dauernde Anfeindungen und Bedrohungen ab. Das ist ein klassisches Beratungsthema für die MBR, die mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin, nicht nur wenn es um Bedrohungen geht, die von Verschwörungsgläubigen ausgehen, sondern auch von allen anderen Aspekten, Rechtsextremen und so weiter. Und ja, da gibt es eine Menge Dinge, die wir raten können, auch im Alltag zu beachten, also vielleicht grundsätzlich eine gewisse Wachsamkeit sich zuzulegen, insbesondere auf den täglichen Wegen zwischen Wohnort und Arbeitsort, dass die Augen nicht die ganze Zeit am Handy haben, nicht Kopfhörer auf haben, sondern ein bisschen mit wachen Augen und Ohren durch die Gegend zu laufen und Auffälligkeiten schnell wahrzunehmen, mit solchen Bedrohungslagen, über solche Bedrohungslagen zu reden, mit Kolleginnen, mit Nachbarn, Familien, Angehörigen, Freunden zu schauen, dass man gemeinsam ein Gefühl für Sicherheit entwickeln kann. Und es gibt natürlich noch viel mehr Dinge, die in dem Zusammenhang geraten werden könnten. Also auch wie ist der eigene Umgang mit persönlichen Daten. Gibt es Möglichkeiten, den Zugang zu den eigenen Daten noch mal zu erschweren, einfach durch so eine Auskunftssperre beim Landeseinwohneramt. Da macht sich ein weites Feld auf für Beratungen für unterschiedliche Maßnahmen. 

 

 

Welche Themen und Akteursgruppen lassen sich aus euren Monitoring-Daten ablesen? 

 

Ruth Hatlapa 

Das, was unsere Daten auf jeden Fall zeigen, ist, dass Verschwörungsmythen in unterschiedlichsten thematischen Bezügen auftauchen. Sie sind in keiner Weise auf ein Thema begrenzt und sie lassen sich auch beliebig in die aktuellen politischen Situationen und Debatten einlesen. Und da gibt es einfach so ganz viele verschiedene Bestandteile und dann gibt es bestimmt Personen, die sozusagen an alles davon glauben und andere, die wieder sozusagen einfach sich das, was ihnen gerade passend erscheint, raussuchen. Manchmal gibt es auch Sachen, wenn wir die zum Beispiel beobachten, das ist dann erst mal gar nicht so leicht einzuordnen. Also zum Beispiel gab es eine Zeit lang, da haben wir ganz viele verschiedene Schmierereien, vor allem in Pankow, aber dann tauchten sie auch in anderen Bezirken auf, die immer unterschiedliche Variationen von "Ohne Bargeld heißt Auschwitz" oder ähnliches hießen, wo sozusagen der Grundgedanke ist, dass die Abschaffung von Bargeld letztlich irgendwie zu einer Kontrolle der Menschheit oder dann einer potenziellen Vernichtung führen könnte. Und sowas ploppt dann sozusagen aber manchmal auf. Also das haben wir so ein Jahr lang über ganz viel dokumentiert und dann ist es plötzlich gar nicht mehr in Erscheinung getreten. Und das ist für uns auch natürlich nicht immer nachvollziehbar, warum bestimmte Sachen dann plötzlich präsent sind oder nicht. In anderen Fällen sind die Zusammenhänge natürlich wiederum klar. Also das jetzt im Zuge der Covid-19-Pandemie und der staatlichen Maßnahmen zu ihrer Eindämmung, ist in dem Fall, die die Verschwörungsmythen ebenso stark zugenommen haben. Gerade das Bild "Jüdinnen und Juden hätten die Pandemie verursacht", stecken irgendwie dahinter, profitieren irgendwie davon, das ist dann natürlich in keiner Weise zufällig, sondern da ist dann eindeutig ein Bezug zu erkennen. Verschwörungsmythen haben in dem Sinne im antisemitischen Vorfall geschehen in Berlin auch bestimmte Konjunkturen. Also bei den Vorfällen mit Covid-19-Bezug haben wir dann tatsächlich auch mal so eine Grafik quasi angefertigt, wo man sehen kann, wie das sozusagen hochgeht, sich auch wirklich über einen sehr langen Zeitraum hält und dann plötzlich die Bezüge wieder abnehmen. Und nun ist es nicht so, dass jeder antisemitische Vorfall mit Bezug auf die Pandemie auch einen verschwörungsideologischen Hintergrund hat, aber natürlich war das in dem Zuge besonders präsent. Also das gerade mit Blick auf Verschwörungsmythen finde ich vor allem immer wirklich bezeichnend, die Kreativität, die sozusagen diesen Verschwörungsmythen inne ist, also was die Konstruktionen, die sozusagen erzeugt werden, das ist einfach auch immer wieder überraschend, was sich die Leute dann wieder ausdenken sozusagen und wie viele verschiedene Varianten von einem Verschwörungsmythos es gibt. Also, dass da bestimmte Sachen immer wieder in einem neuen Gewand auftauchen. Auch oft zum Beispiel: in politischen Konflikten können beide Seiten dann jeweils in die Verschwörung integriert werden, je nachdem, wie man die Konstellation macht. Da ist wirklich sozusagen diese Vielfältigkeit zu erkennen, die aber trotzdem dann immer wieder diesen gleichen bestimmten Mustern folgt. Es ist ja nicht, dass sich die Struktur ganz verändert, sondern immer nur wieder die Gestalt, wie es nach außen getragen wird. Und das, was ich eben als Konjunkturen beschreiben würde, wir nennen das eigentlich auch Gelegenheitsstrukturen, das ist, wenn bestimmte politische Ereignisse zu Anlässen werden, um dann, also anhand deren sich bestimmte antisemitische Dynamiken entwickeln, die antisemitische Handlungen und Äußerungen eben befördern. Also die Covid-19-Pandemie ist ein Beispiel dafür, Eskalationen im israelisch-palästinensischen Konflikt bieten auch oft Gelegenheitsstrukturen. Und dann eben zu bemerken, in dem Moment verändert sich, also entsteht ein neuer Legitimationsrahmen für antisemitische Äußerungen, sodass die sich dann verstärkt mit Bezug auf diesen politischen Anlass dann äußern. Genau, und das geht eben oft dann auch mit einer Mobilisierung einher, online und offline, in Social Media, im Versammlungsgeschehen und ähnlichen. Genau, das zeigen unsere Daten. 

 

Welche Empfehlungen wollt ihr noch an unsere Zuhörenden formulieren?   

 

Mathias Wörsching 

Es muss nicht immer die super schlagfertige Entgegnung, die faktengestützte Argumentation sein. Auch schon ein kurzes Signal des Nicht-Einverständnisses, vielleicht auch nur ein nonverbales Signal, ist schon ausreichend, um ein bisschen zu einem Klima beizutragen, in dem antisemitische Verschwörungsideologie nicht sich weiterverbreiten kann. Ansonsten empfehlen wir auch immer den Blick auf sich selbst und die näherstehenden Personen zu richten, die eigenen Warnsignale ernst zu nehmen. Sobald eine Situation bedrohlich etwa wird oder sobald ein Gefühl besteht, ich gehe hier über meine Grenzen, es wird mir unangenehm. Da ist es wichtig, sich ganz genau zu hinterfragen, ob hier wirklich noch die Zeit für ein Gespräch oder eine Diskussion ist oder ob es nicht eher darum geht, sich dem zu entziehen. Also es geht ja auch darum, diese Auseinandersetzung, ob nun im privaten oder in einem anderen Kontext, langfristig zu führen, die eigene Kraft auch zu bewahren, stabil zu bleiben. Und ja, deswegen raten wir da zu einem sorgsamen und vorsichtigen Blick auf sich selbst.  

  

Ruth Hatlapa 

Also wir empfehlen natürlich immer, wenn man antisemitische Verschwörungsmythen, Bilder, Aufkleber, Schmierereien oder Äußerungen in einem Gespräch, man erlebt, beobachtet, mitbekommt, auch auf Social Media, das natürlich bei uns zu melden, das ist für uns wahnsinnig wichtig und hilfreich, gerade weil wir eben wissen, wie schnell sich eben diese Mythen auch immer wieder verändern und anpassen und da auch gerne sozusagen, selbst wenn man sich nicht so ganz sicher ist, ist das jetzt antisemitisch oder nicht, aber man hat vielleicht so einen Eindruck oder das ist irgendein Code, den man noch nie gesehen hat, dann kann man es immer erst mal bei uns melden, damit wir es prüfen können und damit im Zweifelsfall die Sachen schon mal bei uns vorliegen und dokumentiert sind. Aber natürlich vor allem jetzt auch mit Blick auf Betroffene von Verschwörungsmythen, also dann in diesem Fall jetzt Jüdinnen und Juden, die vielleicht damit konfrontiert sind, da würden wir immer sagen, es ist ganz wichtig, in bestimmten Situationen, wo sowas passiert zum Beispiel, wo man es miterlebt, da dann sozusagen dem Betroffenen auch beizustehen, Einspruch zu erheben, herauszufinden, was vielleicht gerade die Bedarf und Bedürfnisse der Personen sind, Empathie zu zeigen, auch insgesamt sozusagen als Zivilgesellschaft das Problem wirklich ernst zu nehmen, der Verbreitung von Verschwörungsmythen und weiter daran zu arbeiten, Wege und Möglichkeiten zu finden, da aufzuklären, einzugrenzen und so weiter.  

  

Mathias Wörsching 

Wenn ich kurz einhaken darf, gerade dieser Punkt ist ganz besonders wichtig, wenn man selber eine Art Vorbildfunktion oder Impulsfunktion hat, als Lehrkraft, als Erzieherin, Sozialarbeiter oder Vergleichbarer. Also auch dann verschiebt sich nochmal diese ganze Erwägung, wann sage ich etwas, wann sage nichts, da ist es manchmal auch wirklich wichtig, sich irgendwie zu verhalten und gerade auch den Betroffenen beizustehen.  

  

Ruth Hatlapa 

Genau und eben natürlich auch sozusagen Unterstützungsangebote in dem Bereich bekannt zu machen, also wenn sich Personen bei uns melden, weil sie sozusagen mit antisemitischen Verschmutzungsmythen konfrontiert wurden, dass es auch eben immer Möglichkeiten gibt, dann noch weitere Unterstützungsorganisationen hinzuzuziehen. Auch wenn das vielleicht eine bedrohliche Situation war oder auch einfach eine Situation, die unbehaglich war, ist es ja total wichtig, auch Möglichkeiten zu haben, sich darüber auszutauschen, das durchzusprechen, im Fall einer bedrohlichen Situation zu prüfen, inwiefern da Maßnahmen ergriffen werden, Schutzmaßnahmen ergriffen werden sollten und ähnliches. Genau, da sehen wir einfach die Wichtigkeit, zum einen, wie gesagt, die Vorfälle zu melden, in Situationen den Personen beizustehen, sie nicht allein zu lassen, sondern eben da zu widersprechen und zu unterstützen. 

 

Was glaubt ihr, warum wurdet ihr eingeladen?  

 

Ruth Hatlapa 

Also ich vermute, wir wurden hier eingeladen wegen unserer Expertise in dem Themenfeld Verschwörungsmythen, deswegen, weil das natürlich ein wesentlicher Bestandteil unserer Arbeit ausmacht, dass jetzt zum Beispiel bei "Rias Berlin" die verschiedenen aktuell kursierenden Verschwörungsmythen dokumentiert werden und wir Möglichkeiten eben auch haben, Vieles von dem, was geschieht, dann sichtbar zu machen und auch entsprechende Unterstützungsangebote zu ermitteln. Wie würdest du das noch sehen?  

  

Mathias Wörsching 

Also meine Vermutungen gehen in die gleiche Richtung. Nachdem die mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin ja vor allem ganz viel berät, und Fortbildung macht für Leute, die in irgendeiner Weise mit Verschwörungsideologie antisemitischer oder auch nicht antisemitischer konfrontiert sind. Und ja, von daher vielleicht auch nochmal einen anderen Blick hat als Rias mit der Vorfallserfassung und dem aber auch, ähnlich wie Rias, viel mit Betroffenen zu tun hat und versucht hat zu unterstützen. war deswegen der Grund für die Einladung, dass man uns dann für kompetente Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner hielt. Ich denke, ich spreche auch einen Rutsen an, wenn wir uns da mal auch ganz herzlich für die Einladung bedanken.  

  

Ruth Hatlapa 

Ja, wir freuen uns natürlich sehr über die Gelegenheit, dass wir hier teilnehmen können. 

 

Danke, dass ihr mitgemacht habt.  

  

Themenfolgen

Wer lügt uns an?

Mythen über "die Juden" und die Medien

Wer lenkt das Geld?

Mythen über "die Juden" und die Finanzsphäre

Wer verrät uns?

Mythen über "die Juden" und Krieg

Wer regiert uns?

Mythen über "die Juden" und die Politik

Special

Ein Gespräch über die Gefahren des Engagements