Über Judenfeindschaft und Verschwörungsdenken

Special

Ein Gespräch über die Gefahren des Engagements

In unserem Special setzen wir uns mit der Frage auseinander: Was bedeutet es eigentlich, sich gegen antisemitische Verschwörungserzählungen zu engagieren? Rosa Jellinek und Pia Lamberty sprechen über alle positiven und negativen Aspekte ihrer Arbeit, über Resilienz, Frauenhass und Hatespeech. 

Es sprechen

Rosa Jellinek…

…ist eine jüdische, queere Aktivistin. Sie engagiert sich für verschiedene Organisationen und Projekten. Als Mitglied von “Keshet Deutschland” setzt sie sich für die Sichtbarkeit von LGBTQ+-Jüdinnen und -Juden ein und verbindet die Themen jüdische Identität, Queerness und Antisemitismus. Für das Projekt „OY VEY! Plattform gegen Verschwörungsmythen“ erstellt sie Content zu antisemitischen Verschwörungsmythen. 

 

Pia Lamberty…

…ist Autorin und Psychologin. Sie forscht seit Jahren zu der Frage, warum Menschen an Verschwörungserzählungen glauben und ist Mitbegründerin von CEMAS, dem "Center für Monitoring, Analyse und Strategie". Gemeinsam mit Katharina Nocun veröffentlichte sie mehrere Bestseller, wie z.B. "Fake Facts – Wie Verschwörungstheorien unser Denken bestimmen". In ihrer Arbeit weist auf die strukturelle Verbindung von Verschwörungsdenken und Antisemitismus hin. 

Script zur Episode

Script 

„Verdächtig Mächtig“ - Ein Podcast über Judenfeindschaft und Verschwörungsdenken. Was kennzeichnet Verschwörungsmythen? Warum spielen Fantasien über Jüdinnen und Juden dabei oft eine zentrale Rolle? Und wie kann man dem entgegenwirken? Gemeinsam mit unseren Gästen suchen wir nach Antworten. Ein Projekt von Bildung in Widerspruch e.V.. Gefördert im Rahmen des Berliner Landesprogramms Demokratie, Vielfalt, Respekt, gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus, der Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung. 

 

 

 

Wer seid ihr?

 

 

Rosa Jellinek

Ich bin Rosa Jellinek, wir kennen uns ja schon. Ich bin content creatorin. Also mache viel Arbeit im Internet. Mache Videos für verschiedene Projekte, aber auch auf meinem eigenen Kanal. Zum einen eben bei dem Projekt “OyVey!”, dass ist ein Projekt das über Verschwörungsmythen aufklärt. Und ansonsten arbeite ich auch als politische Bildnerin, also mache viel so Veranstaltungen, Workshops, Vorträge, Podiumsdiskussionen zum Thema Antisemitismus, Queerness, Internet, Hatespeech – so alle diese Sachen. Das ist ja auch so eine Ecke, aus der wir uns kennen.  

 

Pia Lamberty 

So ein bisschen, ja.   

 

Rosa Jellinek

Aber erinnere mich noch mal, wer du bist? 

 

Pia Lamberty 

Ich wollte noch eine Sache sagen. Du machst nämlich etwas, was ich super cool finde. Du machst nämlich Make Up Videos. Politische Make-up-Videos. 

 

Rosa Jellinek

Ja, ich nenne das "Judi-Make-up", aber es geht eigentlich gar nicht immer um jüdisch sein, sondern, genau, also im Prinzip hat diese Reihe damit angefangen, dass ich gemerkt habe, es gibt wenig Content, der so Aufklärung und Beauty auf eine coole Art und Weise verbindet. Und dann dachte ich mir, okay, ich mache voll gerne Make-up-Sachen und kreative Make-up-Sachen und habe mir dann vorgenommen: okay, ich kläre in den Videos über ein jüdisches Thema auf und mache von diesem Thema inspiriert einen Make-up-Look, genau, die mal alltagstauglicher und mal weniger alltagstauglich sind. 

 

Pia Lamberty 

Man wird klüger und schöner. Was will man mehr?  

 

Rosa Jellinek

Und du?  

 

Pia Lamberty 

Ich mache keine Make-up-Videos.  

 

Rosa Jellinek

Noch nicht!  

 

Pia Lamberty 

Ja, ich weiß auch nicht, ob die so cool werden wie deine. Ich bin Pia, ich bin Psychologin, Ich habe in der Sozialpsychologie promoviert zum Verschwörungsglauben und welche Rolle der so im Gesundheitsbereich vor allem spielt. Ich habe aber verschiedene Studien und Forschungsprojekte gemacht. Unter anderem war ich auch in Israel für einen Forschungsaufenthalt und habe mir auch dort angeguckt, was der Verschwörungsglaube so tut. Ich habe dann drei Bücher geschrieben, zusammen mit Katharina Nocun. Zwei zum Thema Verschwörungsglauben, das letzte zum Thema Esoterik. Hab damals geglaubt, das liest ja keiner, das Nerd-Thema. Ja, dann kam Corona, Dinge wurden anders. 

 

Rosa Jellinek

Ich wollt grad sagen, das war ein relativ passender Zeitpunkt, ne? 

 

Pia Lamberty 

Ja. Also, die Bücher, das erste Buch kam raus, ich glaub, so in der Woche oder eine Woche, nachdem die Corona-Proteste angefangen haben.  

 

Rosa Jellinek

Okay. Ja.  

 

Pia Lamberty 

Das war so nicht geplant. Aber dadurch hat das natürlich enorm viel Aufmerksamkeit gekriegt. Und mein Leben bestand in den Jahren der Pandemie gefühlt nur aus Vorträgen und Interviews und irgendwie Feuerwehrspielen, wie man jetzt mit all diesen Krisen so umgeht. Dann habe ich mit anderen tollen Menschen 2021 CEMAS gegründet, das “Center for Monitoring, Analyse und Strategie”. Da war ich jetzt auch bis 2024 Co-Geschäftsführerin und habe mich parallel viel noch mit so Krisen auseinandergesetzt, noch eine Weiterbildung gemacht zur Notfallpsychologin und mache jetzt zum einen genau Forschung und Beratung zum Umgang mit so Demokratie-Krisen, aber versuche auch eben die Resilienz bei Menschen zu stärken, damit die ganzen Engagierten nicht irgendwann wegbrechen, weil sie nicht mehr können. 

 

Rosa Jellinek

Und auch das machst du auch im Internet. Ich finde, du machst immer sehr gute, sehr hilfreiche Beiträge. Also ich habe das schon oft mir angeschaut und oft geteilt. Ja, sowas zu, wie geht man irgendwie in Krisen, mit Krisen um, auch nicht als Aktivistin, aber auch, was heißt normaler Mensch, aber als Nicht-Aktivistin. 

 

 

Was mögt ihr an eurer Arbeit? 

 

 

Pia Lamberty 

Also ich glaube generell fällt es mir immer leichter, wenn Dinge nicht gut laufen, quasi vorne mit dabei zu sein, als irgendwie das einfach so auszuhalten. Und ich meine, wir sehen gerade, ich weiß gar nicht, ob man das überhaupt noch Rechtsruck nennen kann, aber wir befinden uns in einer autoritären Phase der Welt. Das ist beängstigend und ich merke, ich komme damit aber besser klar, wenn ich was dagegen tue. Wenn ich das Gefühl habe, ich kann vielleicht Diskurse mit in eine Richtung bringen oder auch einzelne Menschen unterstützen und das kriegt man ja gerade über Social Media auch immer wieder Feedback, was das angeht. Also irgendwie so eine Selbstermächtigung in der Situation, in der man sich eigentlich krass hilflos und ausgeliefert fühlt. 

 

Rosa Jellinek

Ja, voll. 

 

Pia Lamberty 

Genau, und das mag ich sehr gerne daran. Ich find's auch inhaltlich spannend, also einmal das Thema an sich, warum werden Menschen so von Hass getrieben? Also das ist, was sich durch mein ganzes Leben gezogen hat, diese Frage und sich damit mehr auseinanderzusetzen. Genau, und was kann man eigentlich dem konstruktiv entgegensetzen und da einfach auch mit sehr unterschiedlichen Menschen zu tun zu haben, fand ich auch total interessant. 

 

Rosa Jellinek

Was mag ich an meiner Arbeit? Ich mag zum einen so die inhaltliche Auseinandersetzung. Also ich finde es total spannend und interessant. Manchmal ist es ja tatsächlich auch ganz lustig, irgendwie so zu erfahren, woran Leute so glauben. Ich finde auch, es hat so einen Moment von so Selbstermächtigung und so das Gefühl, ja, vielleicht kann ich ja mit einem dieser Videos wirklich Leute erreichen, denen das hilft. Und das sind auch Kommentare oder DMs, die ich immer mal wieder bekomme, wo Leute sagen, ey, voll cool, danke, es hat mir geholfen, an Weihnachten mit meinem verschwörungsgläubigen Onkel irgendwie klarzukommen. Oder hat bei mir selber gerade nochmal so ein bisschen die Kurve, hab ich nochmal so ein bisschen die Kurve gekriegt, eben nicht in so eine Richtung abzudriften. Das ist natürlich auch irgendwo erfüllend, wenn man so das Gefühl hat, ich erreiche tatsächlich was damit oder erreiche Menschen damit. Und man macht aber auch unabhängig vom Thema einfach meine Arbeit viel Spaß. Also Content Creation, Videos zu drehen, da auch so diese Mischung aus Recherche, Schreiben, das kreativ Umsetzen, Postproduktion, also das sind alles Sachen, die machen mir total viel Spaß. Und es ist ja auch eine sehr flexible, kreative, diverse Arbeit. Ich mache in verschiedenen Themenbereichen verschiedene Arten von Jobs. Und das finde ich auch cool, so breit aufgefächert zu sein. Und damit ja auch ganz verschiedene Leute zu erreichen. Also auf Social Media erreiche ich eine große Gruppe an Menschen, aber ich erreiche dann bei einem Workshop an der Uni noch mal eine ganz bestimmte Gruppe oder bei einem Vortrag, wo auch immer. Und das finde ich schon cool, aus den eigenen Bubbles rauszukommen. 

 

Pia Lamberty 

Ja, voll. Ich glaube, ich mag bei mir auch gerne, also ich habe ja auf der einen Seite so diese fachliche Beschäftigung mit Rechtsextremismus, Desinfo, Verschwörungsglauben, und dann aber eben dieser Resilienzteil und ich finde, das passt halt eigentlich total gut zusammen und fühlt sich auch irgendwie sehr stimmig für mich an. Ich glaube, das ist Leuten von außen auf gar nicht klar, wie schön das wirklich ist, auch positives Feedback für die Arbeit zu bekommen. Weil sich das schon, ich finde, manchmal fühlt sich Social Media auch so ein bisschen an wie so eine Verschwendung. Also, wenn du denkst, jetzt mache ich das und für wen und warum eigentlich? Und könnte ich die drei Stunden, die ich, weiß ich nicht, in den Post stecke, nicht auch irgendwie anders nutzen? Und wenn du dann aber irgendwie genauso Feedback bekommst mit, das hat mir irgendwie gerade geholfen oder irgendwie, wir haben das auf der Arbeit geteilt oder so. Ich hatte einen Post nach der US-Wahl, wenn was politisch Schlimmes passiert. Da habe ich so viel Feedback gekriegt, so viele nette Worte. Und da habe ich mir gedacht, wenn du 10 damit erreichst und denen es besser geht, ist das auch gut. Und da waren es dann aber ein paar hunderttausend oder so die Reichweite. Das ist dann auch schon krass. Also so an Reichweite, was Instagram einem sagt. Ich weiß immer nicht, ob das stimmt. Voll gut. Aber sowas ist echt cool. Ein bisschen Impact heißt das, glaube ich, so auch. 

 

Rosa Jellinek

Ja, und es ist ja irgendwo dann auch der Lohn, den man für eine Arbeit kriegt, die man theoretisch, also die man halt eigentlich for free macht. Also man kriegt ja kein Geld dafür, für irgendwie so Social Media Auftritte, also zumindest auf den eigenen Kanälen. Das zum einen. Und zum anderen habe ich auch, während du das gerade erzählt hast, mich so selber dabei erwischt, wie ich auch viel zu selten eigentlich so Creatorin, die ich mega cool finde, sage "Ey, danke für deine Arbeit, du machst es richtig gut" oder auch einfach nur ein Herz zu kommentieren oder sowas, um so ein bisschen den Algorithmus zu pushen, was ich mir ja auch bei meinen Videos oder Posts wünsche. Ja, also auch nochmal ein Reminder an mich selber, das mehr zu machen. Ja, 

 

Pia Lamberty 

Nett zueinander sein, gerade wenn es so wie doof ist, oder? Voll. Wenn die Welt gerade so hart ist, dann müssen wir alle ganz kuschelig miteinander sein. Also zu den Netten. Wichtige Unterscheidung, sorry!

 

 

Welchen Gefahren seid ihr ausgesetzt?

 

 

Rosa Jellinek

Lieben wir die Frage. Ich glaube, da gibt es so einige. Das eine, weil wir gerade bei diesem Internet-Thema waren, ist natürlich viel Hate-Speech und Hass-Nachrichten im Internet, die von persönlichen Beleidigungen und so weiter über Drohungen, Verschwörungstheorien und all sowas, was einem irgendwie in die Kommentare oder DMs gespielt wird. Das ist so eine Sache. Und dann aber schon auch, also da habe ich zumindest auch so Angst vor, dass sich das ins echte Leben übersetzt. Also ich habe zum Beispiel, ich habe voll eins davor, dass Leute meine Adresse rausfinden und ich hatte, bei mir kommt irgendwie immer eine Zeitschrift von der Nachbarin im Briefkasten an und diese Zeitschrift Ich nehme mich dann immer aus meinem Briefkasten raus und stecke es bei ihr rein. Und schaute dann in meinem Briefkasten und da lag da so ein Brief ohne Absender, ohne Empfänger. Und dann ist mir wirklich kurz das Herz stehen geblieben, weil ich so dachte, fuck, ist das eine Briefbombe? Ist das jetzt ein Droh oder Mordbrief? Und, und, und, wer hat meine Adresse rausgefunden? Woher haben die die? Und so weiter. Gehe in meine Wohnung und wirklich inspiziere diesen Brief erstmal fünf Minuten lang, ob da irgendwo Weinpulver drin ist oder irgendwelche Kabel oder irgendwas. "Okay, ist schon mal nicht. Mach das auf." Und dann war es halt einfach so eine Werbebeilage von der Zeitschrift von meiner Nachbarin. Und diese Angst davor, dass das aber passieren könnte, war so groß, dass ich erst mal wirklich so zehn Minuten damit beschäftigt war, wie ich jetzt damit umgehe. Und am Ende war es überhaupt nichts Schlimmes. War aber so ein Schockmoment, der mir echt nochmal gezeigt hat, okay, es ist schon gut, dass deine Adresse gesperrt ist und all solche Sachen. Nicht nur weil es diese reale Gefahr gibt, sondern auch um mein eigenes Gewissen zu beruhigen. 

 

Pia Lamberty 

Also ich finde, dieses Briefbeispiel ist ja trotzdem, was ich auch sagen würde, was man empfehlen sollte. Wenn du so einen unfrankierten Umschlag auf einmal hast und halt eine Person bist, die mit Bedrohungen lebt, dass man das erstmal checkt, ist ja jetzt nicht ein absurdes Verhalten, sondern auch was, was ja vielleicht von Sicherheitsfachleuten einem empfohlen wird. Und das ist schon, dass eben diese Öffentlichkeit gerade in diesem Themenbereich das Leben schon fundamental ändert. Also man hat diese ganzen Online-Bedrohungen. Ich glaube, Leute erkennen mich immer nicht offline, was ich großartig finde. Oder sie sagen nichts meistens, das ist auch gut. Aber trotzdem muss man sich diese Frage ja stellen. Also ist das jetzt gerade ein sicherer Ort? Wie bewege ich mich? Wo? Es gibt dann auch so ein paar Leute, die so ein bisschen obsessed sind und irgendwie einem jeden Tag schreiben. Und dann irgendwie auch so suggerieren, dass sie wüssten, wo man wohnt. Ich weiß, der weiß es nicht, die eine Person zum Beispiel. Aber so damit spielen oder so Androhungen machen von Veröffentlichungen, dass sie angeblich privates Material von mir hätten, da kommt dann nie was. Aber mit sowas habe ich es auf jeden Fall auch zu tun. Ich kriege auch relativ viel Antisemitismus ab, dadurch, dass ich in Israel geforscht habe. Evil evil. Hat man das dann ganz oft oder mir wird dann abgesprochen, dass ich für meine Inhalte selber verantwortlich bin. Da müsste eigentlich ein Mann hinter stehen, von dem werde ich dann gelenkt. 

 

Rosa Jellinek

Ein jüdischer Mann!

 

Pia Lamberty 

Ein jüdischer Mann! Solche Sachen, auf jeden Fall sexualisierte Dinge. Und ich finde schon, dass sich das gerade auch noch mal verschiebt. Also zum einen dadurch, dass Rechtsextreme mehr Macht bekommen. Das finde ich schon auch besorgniserregend, wenn ich überlege, wie viele Leute aus diesem Milieu mich vor irgendwelchen Gerichten - und ich rede jetzt nicht von demokratisch legitimierten Gerichten, sondern eben von politischen Prozessen mich da sehen wollen, also Nürnberg 2.0, irgendwelche Tribunale und wenn man jetzt mal überlegt, vielleicht kriegen diese Leute irgendwann so viel Macht, dass es tatsächlich solche Verfahren gibt, das kann mir ja keiner mit Sicherheit sagen. Und auch, also selbst wenn nicht, aber es macht auf jeden Fall was mit mir und Ich mache ja auch einiges im Bereich Desinformation. Da sprechen wir dann nochmal von Ländern, die man plötzlich gegen sich hat. Also ich glaube, dass Putin weiß, wer ich persönlich bin. Ich hoffe es nicht, ich glaube es nicht. Aber 

 

Rosa Jellinek

Aber nach Russland einreisen wäre nicht die beste Idee. In Russland 

 

Pia Lamberty 

Auf gar keinen Fall, aber Russland ist nicht das einzige Land, bei dem ich sage, da gehe ich nicht hin, weil das zu gefährlich ist mit meiner Arbeit. Also die USA stehen da mittlerweile auch auf der Liste. Da gab es ja jetzt auch an der Grenze Festnahmen, dass man das eine von einem Wissenschaftler, der Trump-kritische Posts gemacht hätte. Das heißt, das kann mir da auch passieren. Aber was ist mit Ländern, die eine pro-russische Regierung haben, wo das halt auch nicht weiß? Das kann halt immer kippen, irgendwie blöd laufen. Also mit so Fragen muss man sich halt jetzt einfach auch auseinandersetzen. dass in einer Zeit, wo Menschen, die in diesen Themenfeldern arbeiten, immer weniger politischen Rückhalt bekommen und immer mehr so zu einem politischen Spielball auch werden, was ich fatal finde. Wir brauchen doch gerade Menschen, die den Mund aufmachen, die aufklären, die sich engagieren. Die haben eine immer unsichere Lage und auch einen schlechteren Zugang zu Schutzmaßnahmen. 

 

Rosa Jellinek

Also ich kriege richtig oft von so rechten Troll-Accounts so Gifs als Kommentare, die dann zum Beispiel so ein Flammenwerfer sind oder sowas. Und da denken vielleicht manche, ach das ist ja nur ein random Troll-Gif oder whatever, aber es soll halt heißen, dass ich verbrannt werden soll. Das ist ja ganz klar, wenn man sich mit so rechten Codes auskennt, was da eigentlich dahintersteckt. Und ich komme auch darauf, weil ich so bei dem, was du erzählt hast, erst mal so dachte, ja, also bei mir ist es jetzt nicht so schlimm, aber auch sowas ist ja eigentlich schon eine Drohung letzten Endes. Ich glaube, man redet sich das auch, oder ich zumindest rede mir das selber auch so ein bisschen klein zu meinem eigenen Seelenheil. Und merke aber auch, ich werde schon, keine Ahnung, in so einer Stadt wie Berlin zum Beispiel, nicht andauernd, aber immer mal wieder auf der Straße erkannt von Leuten, von fremden Leuten. Und bisher waren das immer total schöne, positive Begegnungen. Leute sagen "ey, voll der coole Content" oder irgendwie sowas. Und dann denke ich mir, okay, wenn die mich erkennen, dann erkennen mich schon auch Leute, die mich hassen. Da habe ich es bisher nie mitbekommen, aber wer weiß. Und das ist schon noch mal irgendwie gruselig, würde ich sagen. 

 

Pia Lamberty 

… dass das immer so mitläuft. Und gerade in Zeiten, weiß ich nicht, wenn ich in der Tagesschau war, oder einfach was sehr Präsentes, wo mein Gesicht ja auch präsent ist. Ich mache zwar recht viel Social Media, aber ich mache ja recht wenig Bildmaterial. Das heißt, es ist immer an die Öffentlichkeit geknüpft. Genau, dass du dann halt nochmal aufmerksamer bist. So in der Pandemie war ich auch aus Sicherheitsgründen dankbar, dass ich eine Maske getragen habe, weil dadurch konntest du mich halt ja auch nicht so gut erkennen. Aber was ich halt jetzt merke, ist, dass es Leute gibt, da hat sich der Hass so verfestigt, da ist es egal, also ich muss nichts machen. Und die hassen mich so doll, dass sie trotzdem anfangen aus dem Nichts irgendwie gegen mich zu ranten.

so diese Verfestigung des Hasses, dass die wirklich dankbar werden, wenn ich vor den Tribunalen stände für meine schlimmen Taten in der Pandemie. Das finde ich, wie gesagt, einfach besorgniserregend, wenn man gerade sieht, wie die Welt sich einfach immer mehr ins Autoritäre dreht.  

 

Rosa Jellinek

Ja, voll. Das ist echt creepy. 

 

Von wem konkret geht diese Gefahr denn aus? 

 

 

Pia Lamberty 

Also auf jeden Fall sehr präsent von Rechtsextremen und ihren Friends. Aber wir haben sie auf der einen Seite geklärt, aber ich finde, man kann es auch expliziter machen. Ich habe halt nicht so oft, aber zwischendurch auch immer mal wieder irgendwelche Islamisten an der Backe. Das ist auch so semi-geil, muss ich sagen. Antisemiten jeglicher Couleur. Und es gibt dann aber auch so eine rechtslibertäre Bubble. Die würde ich jetzt nicht als rechtsextrem einordnen, aber die mögen mich auch oft nicht. Voll. Das musst du auch nicht gendern. 

 

Rosa Jellinek

Ja, zum einen, das kenne ich auch total, dass so, das sind jetzt keine Rechtsextremen, aber so rechtskonservative Leute einen dolle hassen. Und, ja, eben, dass man es nicht gendern muss. Also, ich glaube, ich habe vielleicht in 5 Prozent der Fälle sind es Frauen oder weiblich gelesen Personen, die mich hassen und das sind primär eben Männer. Bei mir ist es tatsächlich zwischen so 16 und Anfang 20 und dann wieder so zwischen 45 aufwärts. Also es sind irgendwie so diese beiden Altersgruppen, in denen, würde ich sagen, es gibt keine Studien dazu, wer mich am meisten hasst, aber das wäre so meine Einschätzung, was so den Altersbereich angeht. Es ist relativ häufig tatsächlich so, Jugendliche Trolls zumindest entsprechend ihren Profilen. So weiß man natürlich nicht, ob es stimmt. 

 

Pia Lamberty 

Wir können ja mal eine Insta-Umfrage machen. Hallo, wer hasst mich? Und wie alt seid ihr? 

 

Rosa Jellinek

Wie alt seid ihr, ja. 

 

Pia Lamberty 

Oh, voll. Das klingt schön. 

 

 

Habt ihr manchmal Angst? 

 

 

Pia Lamberty 

Ja, ich hab manchmal Angst. Jetzt nicht, dass ich in Panik verfalle, aber manche... Oder Sorge, genau, oder dass es mich auch trifft. Also ich finde, es gibt ja... Und da geht es gar nicht immer so darum, was jetzt das Schlimmste ist, sondern einfach irgendwie ein blöder Tag, irgendwie, was weiß ich, schlechte Laune, will irgendwie zu Hause ins Bett und Schokolade essen und sagt, deine Armhaare sind ja auch eklig oder irgend so was doofes, dann trifft das mich manchmal schon. Und ich habe auch, also ich habe das Gefühl, ich habe eigentlich einen ganz guten Umgang damit und irgendwie auch ganz gute Strategien, aber ich habe schon auch Momente gehabt, wo ich gemerkt habe, oh, meine Angst wird gerade doller und das ist nicht gut. Das hilft mir auch nicht und musste dann dagegen steuern. Aber das ist jetzt nichts, was leicht ist, finde ich. 

 

Rosa Jellinek

Ja, ich habe vor allem an bestimmten Orten Angst, weil ich Angst habe, dass mich irgendwelche Menschen, die mich eben nicht mögen, erkennen. Da, da merke ich schon, dass ich Angst habe. 

Ich glaube explizit auf so meinen Online -Auftritt und in Verbindung mit Verschwörungserzählungen habe ich vor allem Angst oder auch Sorge vor Hass online. Also ich kann damit inzwischen auch ganz gut umgehen. Irgendwann kriegt man da eine dicke Haut, dicke Haut, wie klingt das eklig? Ein Fell kriegt man, whatever. 

 

Pia Lamberty 

Man kriegt irgendwas, was hilft. 

  

Rosa Jellinek

Man erarbeitet sich einen Schutz.Und dann gab es aber auch manchmal schon so Momente, wo es so übertrieben viel auf einmal war und dann mischt sich das von Drohungen über wirklich so eklige Beleidigungen, sexistische Scheiße und und und, wo ich dann irgendwann so gemerkt habe, okay, ich muss jetzt mein Account jetzt gerade an eine befreundete Person weitergeben, die das alles löscht, weil ich kann das nicht mehr alles lesen. Also es macht einen dann irgendwann schon auch fertig. Ja, das macht mir schon manchmal Angst und belastet mich. Und ich merke auch, dass ich so ein bisschen... Ich habe schon manchmal Angst, dass ich Themen auf eine bestimmte Art und Weise anspreche, die Menschen nicht gefallen, Menschen nicht derselben Meinung sein werden wie ich. Und ich mit dieser... naja, es ist meistens auch nicht mehr eine chillige Kritik, sondern es ist dann schon auch Hass, der sich daraus entwickelt, damit nicht umgehen kann. Oder dass ich aus Versehen irgendein Thema auslasse. Also ich sag schon viel politisch, online zu Themen und es richtet sich aber immer komplett nach meinen eigenen Kapazitäten und natürlich auch, wie wichtig mir manche Themen sind. Manchmal ist mir ein Thema aber auch sehr wichtig und ich hab aber gerade keine Kapazität doch einfach keinen Bock, was dazu zu machen und dann mache ich es nicht. Und da habe ich voll oft Angst, dass mir irgendwann so ein Strick daraus gedreht wird. - Ich glaube, ein Strick dreht man ja. - Ja. 

 

Pia Lamberty 

Ja, genau, also dass einem ein Strick daraus gedreht wird, dass man zu gewissen Dingen nichts sagt, das kenn ich auch. Oder wenn man zu etwas lange nichts gesagt hat, weil man keine Kappas hatte und dann vielleicht spät einsetzt, dass das dann, also quasi, dass so das Mindset eh schon ist, du bist kacke und dann egal was du zu dem Thema machst, kann das ja auch nur kacke sein. Oder dass du auch zu gewissen Themen nichts sage, weil ich entweder Angst vor dem Hass habe oder auch nicht die Kapazitäten für neue Hassgruppen. Also ich meine, ich arbeite zum Beispiel jetzt nicht zu Islamismus. Also will ich jetzt auch nicht die Cheferklärerin werden. Ich finde so Universal-Experten absichtlich nicht gegendert. Jetzt auch meistens nicht so gut. Wenn, sollte es schon irgendwie bei deinen Themen bleiben. Aber würde ich vielleicht mehr sagen, wenn ich nicht irgendwie Angst hätte, dass das noch eine weitere Gruppe nach sich zieht. Also das sind schon so Fragen, und ich mir auch stelle. Also was ich schon gemerkt hatte, das so in der Hochphase der Querdenken-Proteste, die mich so richtig blöd fanden. Also ich habe auch das Gefühl, die fanden mich mit so am blödsten, weil Frau, ich glaube Psychologin war auch so ein bisschen spooky, dann hatte ich noch rote Haare, also ein Hexenbild und einen Nasenring, also “linke Zecke”. Das war so der vereinte Horror von Querdenken, war ich. Und dann bin ich schon manchmal auch aus Versehen in irgendwelche Proteste reingestolpert, weil die ja eine Zeit lang überall ständig war. Das fand ich dann, also da habe ich gemerkt, wie bei mir auch der Stress einfach hochging. Was, wenn die dich erkennen und du weißt nicht, was ist das gerade, in was für einer Stimmung sind die und was macht das dann? Also das ist jetzt keine Berufswahl, würde ich sagen, die jetzt super easy peasy und nur entspannt, sondern bedeutet was und hat Konsequenzen. Und das Thema Sicherheit musst du ganz anders behandeln, als du es sonst machen musst. 

 

 

Bekommt ihr als Frauen noch mehr Hass ab?

 

 

Rosa Jellinek

Uff, darüber kann ich wirklich Stunden reden, weil genau das ist so ein Thema, was mich seitdem ich online oder überhaupt in der Öffentlichkeit irgendwie sichtbar bin, mir immer wieder krass auffällt. dass es viel mehr Hass ist als Männer in dem Bereich, dass es viel mehr sexistische und auf den Körper bezogene Kommentare sind, sowohl negative im Sinne von Beleidigungen als auch Komplimente oder so nett gemeinte Sachen. Wo ich mir auch immer denke, niemand hat dich gefragt nach deiner Meinung. Und ich merke richtig, richtig krass, dass seitdem ich, also ich hatte bis vor kurzem ganz, ganz lange abrasierte Haare und hatte nicht ganz einen Glatze, aber so einen Buzzcut, also wirklich seit ich 19 war oder so. Und als ich diese krass kurzen Haare noch hatte und damit nicht so einem klassischen Schönheitsideal von einer Frau entsprochen habe, vielleicht auch mehr links gelesen wurde, eher queer gelesen wurde, ich habe so viele queerfeindliche, sexistische, beleidigende Kommentare bekommen, die extrem abgenommen haben, seitdem ich meine Haare wachsen lassen habe. Und das finde ich wirklich, also es hat so einen Weltenunterschied dazwischen. Ich werde irgendwo ernster genommen und es sind dann eben mehr nochmal so eklige Anmachen oder eklige Komplimente, die online kommen, als dass es vorher eben wirklich so beleidigender Hass, auch antisemitischer Hass aufgrund der abrasierten Haare, ob ich denn gerade auch aus Auschwitz käme oder so, also auch solche Geschichten. Und das hat mir total deutlich gemacht, wie sehr mein Aussehen als Frau abhängig ist, Menschen mich wahrnehmen, ob sie mich ernst nehmen, aber eben auch, ob sie mich direkt hassen, ohne überhaupt mir zuzuhören. 

 

Pia Lamberty 

Ich möchte mit etwas Positivem starten, weil ich das immer irgendwie sehr nett finde bei meinen Flinta-Follower*innen, dass die sich, wenn sie mir mal was Positives schreiben, oft entschuldigen, dass sie das tun, weil sie folgen mir ja wegen meiner Inhalte und nicht wegen... Das ist so niedlich! Und ich denke immer, ach, ihr seid so toll. Also es gibt nicht nur doofe Leute im Internet, würde ich sagen.

 

Rosa Jellinek

Bei mir ist auch die Flinta-Community übersweet. Ja, ja. Komplett wholesome, richtig nette Mäuse. Ja, und ich meine, die 

 

Pia Lamberty 

dürfen mir das auch schreiben, aber so finde ich das immer so. Aber ich würde auch sagen, also die Quantität ist größer als als Frau, die Qualität ist eine andere und man hat ja auch generell, glaube ich, mit mehr Herausforderungen zu tun. Ich mache da ähnliche Erfahrungen wie du, aber ich finde dazu kommt ja auch noch, dass du dich dann auch als Frau in einem sehr männlich dominierten Arbeitsfeld durchsetzen musst. Also das geht jetzt gar nicht um Hate-Kommentare, sondern um... Also wenn man sich so den Bereich Rechtsextremismus anschaut, der ist eben sehr Weiß-männlich-dominiert. Das heißt, da werden ja auch nochmal andere Netzwerke gebildet, zu denen du dann vielleicht keinen Zugang hast oder schwerer Zugang hast, mit dem man sich irgendwie auch nochmal anders Gehör verschaffen muss.  

 

Rosa Jellinek

Ja, und wo man eben auch weniger ernst genommen wird. 

 

Pia Lamberty 

Also geh mal auf eine Rechtsextremismus-Konferenz und dann gibt es die eine Veranstaltung zu Gender und Rechtsextremismus, da ist dann meistens die Referente eine Frau und die ist dann im kleinen Raum und da stehen dann so fünf Leute oder so. Also du wirst mit den Themen weniger ernst genommen als Sprecherin weniger ernst genommen. Ich merke das immer, wenn es um Definitionsarbeit geht, dann werden die Männer ganz schön nervös. Aber deswegen finde ich, sollte man das irgendwie so in dieser Gesamtheitssicht auch angucken, dass es einfach mehr Herausforderungen im Arbeitsfeld gibt, aber eben auch noch mal zusätzlich mehr hast und ja, deswegen glaube ich brauchst einfach auch gerade in solchen Bereichen Frauen oder Flinta-netzwerke, um sich zu unterstützen und damit umzugehen. 

 

Rosa Jellinek

Ja, total, total. Aber ja, lass uns vielleicht die nächste Frage beantworten. 

 

 

Was bräuchte es, damit Engagement zu diesen Themen weniger gefährlich ist? 

 

 

Pia Lamberty 

Menschen. Je mehr Menschen etwas sagen, desto weniger gefährlich wird. für die Einzelpersonen. Das, was für unsere Arbeit, für uns gefährlich ist, hat sicherlich auch was mit vielen anderen Faktoren zu tun, aber eben auch damit, dass der Großteil der Gesellschaft zu leise ist. Und dadurch sind wir halt besonders exponiert. Wenn aber alle sich klar positionieren würden, wäre die Lage eine andere. Das wäre ein Punkt. 

 

Rosa Jellinek

Ja, total. Ich glaube auch, dass die Strafverfolgung viel besser funktionieren muss. Also ich merke immer wieder, dass ich - also ich spreche natürlich so viel über Online-Kontexte, weil eben mein Main Bread and Butter ist irgendwie Content Creation - und dass es ganz viele strafrechtlich verfolgbare Cases gibt von Kommentaren, Beleidigungen, whatever, die ich aber nicht anzeige, weil es übelst der Hasse ist, Sachen anzuzeigen. Und dann gibt es, keine Ahnung, zehn Kommentare und es dauert jeweils 20 Minuten, diese Anzeige fertig zu stellen. Dann bin ich ja einfach regelmäßig einen halben Tag damit beschäftigt. Und das ist einfach viel zu viel Kapazität, was das benötigt. Und da bräuchte es einfach irgendwie niedrigere Hürden, um sowas zu einer Anzeige zu bringen. Und die Strafverfolgung muss auch viel besser funktionieren. Also wie oft ich schon gelesen habe von irgendeiner Staatsanwaltschaft oder der Polizei einen "Wir konnten die Person nicht ausfindig machen, weil auf der IP-Adresse sind mehrere Leute, die es sein können"   

und die Plattformen müssen viel mehr in die Verantwortung genommen werden. Also TikTok, Meta und und und. Das sind deren Programme, das sind deren Plattformen und die machen es ja erst möglich oder wenn sie diese Plattform haben möchten, finde ich, müssen sie auch in der Pflicht sein zu verhindern, dass dort Hass verbreitet wird, dass Menschen fertig gemacht werden. 

 

Pia Lamberty 

Jetzt willst du aber die freie Rede einschränken! 

 

Rosa Jellinek

Das ist echt - Meinungsfreiheit. Und diese Plattformen sind letzten Endes meiner Meinung nach in der Verantwortung, dafür zu sorgen, dass sowas dort nicht stattfinden kann und machen aber viel, viel, viel zu wenig dagegen, selbst wenn man solche Kommentare meldet. 

 

Pia Lamberty 

Die Plattform fahren mehr oder weniger alle ihre Content Moderation zurück. Die Verträge zumindest in den USA mit Fact-Checkern werden aufgekündigt, etc. Das finde ich auch ein Riesenproblem. Fehlendes Wissen über Online-Entwicklungen bei den Sicherheitsbehörden, das kommt zusammen fehlendes Wissen, fehlendes technisches Equipment manchmal auch einfach bei der Polizei. Und das ist alles halt nicht auf die Gegenwart ausgelegt. Und aber, und das finde ich wichtig, dass du das auch nochmal angemerkt hast, weil wir befinden uns in einer autoritären Epoche, dass man sich schon auch damit auseinandersetzt, wo sind die Grenzen. Also weil ich will jetzt nicht überall Polizei auf Social Media haben oder weitreichende Befugnisse, was Datenschutz usw. angeht, dass die ausgehebelt werden. Also da finde ich, es geht schon irgendwie auch um eine Balance, aber der Schutz von Personen muss einfach nochmal stärker priorisiert werden. Und ich finde, das zieht sich gerade sowohl online als auch offline durch. Das höre ich von Wissenschaftlern, die sagen, ich traue mich nicht, meine Ergebnisse zu kommunizieren, weil selbst bei harmlosen Themen kriege ich Hass. Oder Menschen, die sich nicht mehr auf Demos trauen oder online ihre Meinung nicht mehr sagen. Und das kann es ja nicht sein. Das ist ja nicht das, wie in der Gesellschaft gut funktionieren sollte. Deswegen glaube ich, müssen wir da schon ran. Aber im Moment habe ich nicht das Gefühl, dass das politisch der Fokus ist, um es freundlicher auszudrücken. 

 

Rosa Jellinek

Und mit diesem „seine Meinung sagen“, das ist ja so ein klassischer rechter Talking Point, das wäre ja alles nur Free Speech. Und das ist ja alles nur, dieser ganze Hass sei nur so eine Meinung. Und gleichzeitig tun sie so, als werden sie so krass eingeschränkt damit, ihre Meinung, aka antisemitische, rassistische Verschwörungstheorien und Hass zu verbreiten, als sei das so eine Meinungsfreiheitseingrenzung und gleichzeitig trauen sich Menschen, die dagegen was sagen, eben selber nicht mehr das zu machen oder auch einfach darüber zu forschen und diese Ergebnisse zu veröffentlichen, weil sie in ihrer tatsächlichen Meinungsfreiheit und Wissenschaftsfreiheit eingeschränkt werden von Menschen, die sich selbst als Opfer so einer Vogue-Kampagne irgendwie stilisieren. Und das finde ich schon auch nochmal einen spannenden Punkt. Und ich wollte auch sagen, dass das Vertrauen in so Sicherheitsbehörden logischerweise immer weiter sinkt, nachdem gefühlt an Dauer, aber auf jeden Fall regelmäßig, irgendwelche rechten und verschiebungslogischen Netzwerke innerhalb von Sicherheitsbehörden aufgedeckt werden und es gefühlt nur sehr begrenzte Konsequenzen hat. Und ja auch immer wieder krasse Fehler passieren im Kontext der Aufklärung rechter Gewalttaten. Also sei es NSU oder Hanau und und und und. Das war mir jetzt auch nochmal wichtig hinzuzufügen.

 

Pia Lamberty 

Ja und auch da vielleicht nochmal besonders für Menschen, die ja auch negative Polizeierfahrung machen durch racial profiling etc. Also migrantisierte Personen. 

 

 

Was würdet ihr Menschen raten, die etwas gegen antisemitische Verschwörungserzählungen unternehmen wollen?

 

 

Rosa Jellinek

Ich würde sagen, es ist immer wichtig, sich zu informieren. und sich selber erstmal für dieses Thema zu sensibilisieren. Und dann muss man gar nicht unbedingt so riesig anfangen, sondern kann auch erstmal im eigenen Umfeld zum Beispiel anfangen, schauen, dass man sensibilisiert ist, auch vielleicht schon Leute rechtzeitig abzuholen. Also wenn ich in meinem Umfeld eine Person habe, die anfängt, auf so ein "Cui bono, wie nützt das?" mäßig im Kontext von irgendwelchen gesellschaftspolitischen relevanten Ereignissen zu sprechen, dann sofort hellhörig zu sein, um diese Person irgendwie rechtzeitig abzuholen. Ich glaube, das ist was, was man in so seinem eigenen kleinen Raum irgendwie total machen kann. Und zum anderen, das hattest du ja auch vorhin schon gesagt grundsätzlich, also desto mehr Leute darüber sprechen und sich dem Entgegenstellen, desto deutlicher wird das eben auch, um zu versuchen, sich eben nicht zurückzuziehen, sondern sich in NGOs zu engagieren, online dagegen zu sprechen, auf Demonstrationen zu gehen, auf Gegendemos zu solchen verschwörungsideologischen Demonstrationen und und und. Also dieses Feld eben nicht diesen Akteuren zu überlassen.

 

Pia Lamberty 

Also, würde ich auch sagen, generell glaube ich, dass es immer auch sehr gut ist, sich selber zu reflektieren, weil also in jeder politischen Gruppe gibt es problematische Tendenzen. Jede Gruppe hat irgendein Einfallstor in irgendwas Problematisches. Und das zu kennen, das glaube ich, ist schon mal ein sehr, sehr guter Schutz. Und das können Verschwörungserzählungen generell irgendwas anderes sein, je nachdem, wo man sich bewegt, aber dieses Bewusstsein “Ich bin nicht immun, mir kann das passieren, dass ich totalen Quatsch glaube, und zwar in dem Moment, wo es irgendwie zu meiner Haltung, meinen Werten, meiner Ideologie - was auch immer - passt”. Wenn wir jetzt mal so ein bisschen gedanklich zurückgehen zur Zeit der Corona-Pandemie, wo wir das ja stark gesehen haben, würde ich auch nochmal unterstreichen, beziehungsweise meine Perspektive darauf ist, dass dieses ganze Querdenken-Milieu sehr stark auch, oder diese Proteste eine große Rolle für die Reichweite der AfD gespielt haben. Und dass die sich so, also Berliner AfD, ich ess es mal, sie sehen sich als der parlamentarische Arm der Querdenken-Bewegung, die waren ganz oft vor Ort dabei, haben sich dann als die Stimme der besorgten Bürger erzählt, lalala, und konnten dadurch nochmal sich anders etablieren. Und in dieser Zeit gab es, das hat unter anderem mit Corona zu tun, aber nicht nur, kaum Gegenproteste. Fast überall sind diese Proteste, teilweise über Jahre, teilweise laufen die ja immer noch jede Woche oder haben zumindest Kundgebung, die sind einfach passiert. Und das hat dann in den jeweiligen Orten, ja, also gerade je kleiner sie sind, desto größer ist ja auch die Strahlkraft, wirkte das so, als gäbe es keinen Widerspruch, als wäre das die Norm vor Ort oder das, was viele denken. Und das hätte da den demokratischen Widerspruch gebraucht. Das hätte regelmäßige Gegendemos oder Veranstaltungen gebraucht und das haben sich aber viele nicht getraut, weil es sind ja jetzt nicht alles Rechtsextreme. Das ist ja auch der Peter, mit dem bin ich beim Volleyball und das ist eigentlich ein ganz netter, der ist ein bisschen verloren. Also weiß nicht, wie oft ich solche Dinge gehört habe. Und das finde ich ist genau das Fatale, dass viele glauben, Widerspruch erst dann, wenn es eindeutig zum Beispiel rechtsextrem ist und aber alles, was so die Glaubstufe davor ist, die lässt man irgendwie machen, weil man will ja nicht. Das sind ja dann auch Leute, die man kennt oder was weiß ich. Also da braucht es eine klare Kante, und zwar nicht erst dann, wenn wir den Faschismus abdriften, sondern viele Schritte vorher. 

 

 

Danke, dass ihr unserer Einladung gefolgt seid!

 

 

Pia Lamberty 

Manchmal sage ich das bei Interviews, dass wenn ich eingeladen werde, dann ist das mal ein schlechtes Zeichen. Ja, Dann ist irgendwas nicht gut gerade. Ich finde, wir haben uns alle eine Pause verdient. Finde ich auch. Mit schönen Dingen. Bei dir ist es auch richtig, damit können wir enden. Ja, was machst du, damit du nicht die Hoffnung verlierst, wenn du dich die ganze Zeit mit so einem Mist beschäftigst? 

  

Rosa Jellinek

Mit meinem Hund kuscheln und mich so ein bisschen auf so kleine Sachen besinnen. Ich finde das, also gerade so mein Hund oder so, das ist so, da schaltet mein Kopf komplett ab und ich bin einfach so in dem Moment. Das finde ich sehr hilfreich. Sehr cool. Und du?  

  

Pia Lamberty 

Ähm, ich bastle tatsächlich gerne. Ich mache so ganz viele Sachen, manchmal regelmäßig, manchmal weniger regelmäßig, also so von Töpfern oder Buchbinden habe ich jetzt angefangen zu lernen. Das macht mich glücklich und ich versuche immer abends mich nicht noch mit diesem Thema zu beschäftigen. Also die Doku über Nazis nicht noch am Abend zu gucken, sondern da tatsächlich das abzugrenzen und mein soziales Umfeld, das ist ganz großartig. 

 

Rosa Jellinek

Ich würde das auch unterschreiben. Also sowohl bei deins als auch meines.  Alright, ja, dankeschön. Das war total schön.  

 

Pia Lamberty 

Ja, es hat Spaß gemacht.  

 

Rosa Jellinek

Ja, finde ich auch.

 

 

„Die Zukunft ist offen. Sie hängt von uns ab - von uns allen.“
Karl Popper

Themenfolgen

Wer lügt uns an?

Mythen über "die Juden" und die Medien

Wer verrät uns?

Mythen über "die Juden" und Krieg

Wer lenkt das Geld?

Mythen über "die Juden" und die Finanzsphäre

Wer regiert uns?

Mythen über "die Juden" und die Politik